Wie fängt man die emotionale und ästhetische Bedeutung eines Raums in einfachen Formen und klaren Linien ein? Nutzen Sie die Regeln der minimalistischen Fotografie, die sich auf eine perfekt ausgewogene Komposition konzentrieren, alle ablenkenden Elemente ausblenden und das Volumen und die Form der fotografierten Architektur betonen. 

Obwohl Leere und Raum bei minimalistischen Fotos eine wichtige Rolle spielen, ergeben sie oft sehr starke Bilder. 

Wo können Sie sich inspirieren lassen? 

Als Einstieg möchten wir einige Namen nennen, die für Sie als (angehende) minimalistische Fotografen von Interesse sein könnten. Die Arbeiten dieser Künstler können Ihnen helfen zu verstehen, dass minimalistische Fotografie keine Grenzen hat und dass Sie Ihre Arbeit bis zum minimalistischen Extrem führen können. 

Hiroshi Sugimoto zählt zu den Namen, von denen Sie in der Welt der Fotografie bestimmt schon gehört haben. Seine Bilder basieren auf langen Belichtungszeiten, die menschliche Figuren praktisch aus dem Bild eliminieren. 

Andreas Gursky ist einer derjenigen, die den Minimalismus zur Kunst erhoben haben. Sein Foto Rhein II wurde 2011 für 4,3 Mio. Dollar versteigert. Er konzentriert sich oft auf sich wiederholende Motive und seine minimalistischen Fotos wirken oft nahezu abstrakt. 

Nina Papiorek ist eine deutsche Künstlerin, deren Schwarz-Weiß-Fotografien den Kontrast zwischen der Zerbrechlichkeit des Menschen und der monumentalen Architektur betonen.

Boys Play Nice, bzw. Jakub Skokan und Martin Tůma, gehören zu denen, die man im tschechischen Raum beobachten sollte. Wenn in Tschechien großartige Architektur entsteht, sind die beiden wahrscheinlich mit ihrer Kamera dabei. 

Nicanor García ist ein Mexikaner, der wirklich weiß, wie man Kompositionen erstellt. Seine Bilder sind absolut präzise, sauber, einfach und dadurch auch sehr beeindruckend. 

Bevor Sie beginnen

Wenn Sie jetzt schon auf die Minimalismus-Welle aufgesprungen sind, Ihre Finger jucken und Sie schon nach Ihrer Kamera greifen, dann geben Sie mir noch einen Moment. Bevor Sie losziehen, überprüfen Sie Ihre Fotoausrüstung und stellen Sie sicher, dass Sie auch alles dabei haben: 

• Stativ – glauben Sie mir, beim Minimalismus geht es nicht ohne, 
• Polarisationsfilter – nicht zwingend erforderlich, erleichtert aber die Sicht auf Himmel, Glas und Wasserflächen, 
• Weitwinkelobjektiv – besonders praktisch in engen Gassen. 

Regeln, die Sie in der minimalistischen Architekturfotografie anwenden können

Okay, legen wir los. Minimalismus ist eine großartige Disziplin, der man leicht verfallen kann, nicht nur in der Fotografie. Aber es ist gut, ein paar Grundregeln zu beherzigen, die Ihnen helfen, das Beste aus Ihren Fotos herauszuholen und atemberaubende Bilder zu schaffen. 

1. Ein geeignetes Fotomotiv? Idealerweise einfache Architektur mit geometrischen Formen

Neorenaissance-Häuser auf einem Hauptplatz, Barockkirchen oder Fachwerkhäuser sind selbst für erfahrene Minimalisten eine Herausforderung. Beginnen Sie daher mit moderner Architektur, die sich für den Minimalismus geradezu anbietet. Während die verspielten Ornamente barocker Paläste eher Wes Andersons farbenfrohe Ästhetik entsprechen, sollten Sie auf brutalistische Architektur, einfache Materialien, Glas, Beton oder Holz achten. 

2. Suchen Sie nach allein stehenden monumentalen Gebäuden

Der Minimalismus basiert auf der Einfachheit von Szenen und Kompositionen. Daher erweisen massive Gebäude, die für sich allein stehen, einen Bärendienst. Sie lassen das minimalistische Konzept erst richtig zur Geltung kommen, ohne durch eine Fülle von Details und Ablenkungen gestört zu werden. 

3. Konzentrieren Sie sich auf Kontraste

Bei minimalistischen Fotos kann man auf die absolute Reinheit der Szene setzen. Auf diese Weise muss nichts außer dem Motiv oder dem Detail vorhanden sein. 

Meistens ist es der Kontrast zwischen der Monumentalität des Bauwerks und der winzigen Figur eines Menschen, oder vielleicht der Kontrast zwischen der kalten Geometrie der Architektur und dem Leben in Form von üppiger Vegetation an verlassenen Orten oder einem stillen Reiher, der im Vordergrund verweilt. 

Ein guter Kontrast ist auch der Materialkontrast, d.h. kühles Glas und warmes Holz, Beton und Wasserflächen in der Umgebung, usw. 

4. Warten Sie auf Licht

Wie bei jeder anderen Fotografie auch, macht das Licht das Foto. In der minimalistischen Architektur können Sie die frühe Abenddämmerung nutzen, um die Schatten von Gebäuden hervorzuheben, einen idealen Hintergrund für eine Person zu schaffen, die über eine Betonfläche läuft, die Texturen der verwendeten Materialien zu betonen oder ablenkende Elemente an einer Fassade zu unterdrücken. 

Bei minimalistischen Schwarz-Weiß-Fotos kann allerdings auch die scharfe Mittagssonne gute Dienste leisten, die Details verwischen und Raum für neue Kontraste schaffen kann. Und das ist eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen man mittags fotografieren will. 

5. Fotografieren Sie mit Stativ

Wie bereits erwähnt, kommt man beim Minimalismus kaum ohne Stativ aus. Es hilft Ihnen nicht nur bei schlechteren Lichtverhältnissen, sondern auch, wenn Sie, wie Hiroshi Sugimoto, mit einer langen Belichtungszeit Touristenmassen oder Bewunderer schöner Architektur aus Ihren Fotos entfernen wollen. 

Längere Belichtungszeiten können auch interessante Himmels- oder Wassereffekte erzeugen. Ein Stativ sorgt außerdem dafür, dass Ihre Fotos perfekt scharf sind. Und genau darum geht es oft beim Minimalismus. 

6. Nutzen Sie die Perspektive zu Ihrem Vorteil

Wie bei anderen Architekturfotos sind die strengen Regeln der Vertikalen zu berücksichtigen. Sie können sie in Zoner Photo Studio X leicht bearbeiten, sogar automatisch. Konvergierende Architektur hat ihre Reize, aber es ist besser, wenn die Gebäude nicht schräg stehen wie der schiefe Turm von Pisa. 

Verwenden Sie deshalb bei der Aufnahme das Raster auf dem Display oder im Sucher, und perfektionieren Sie Ihre Fotos, indem Sie die Linien bei der Bearbeitung begradigen. Wenn umgekehrt Linien vor Ihnen zusammenlaufen, zum Beispiel in Form von zwei parallelen Linien auf einer Fassade, einem Gehweg oder am Horizont, sollten Sie sich darauf stürzen und ihre Dynamik einfangen. 

7. Wiederholung – die Mutter grandioser Fotos

Der minimalistische Ansatz in der Komposition verlangt die maximale Nutzung des leeren Raums. Sie können aber auch mit Wiederholungen arbeiten. Konzentrieren Sie sich auf die unentdeckten Winkel der Säulen, die langen Treppen, die regelmäßigen Abstände der Figuren im Bild, die regelmäßigen Abstände der Bäume am Horizont und die sich wiederholenden Texturen der Materialien. Das ist die große Stärke der Fotos von Nina Papiorek, die wir im Abschnitt über Inspiration vorgestellt haben. 

8. Arbeiten Sie mit der Leere

Wenn Sie normalerweise daran gewöhnt sind, Ihre Fotos mit Vorder- und Hintergrundmotiven zu versehen, ein sonniges Blatt vor der Linse und eine interessante Aktion im Hintergrund zu haben, vergessen Sie das alles beim Minimalismus. Arbeiten Sie mit dem negativen Raum, mit der Leere und ihrer Ästhetik, die kleine Handlungen oder Dramen am Rande von Licht und Schatten zur Geltung bringen kann. 

9. Bringen Sie die Komposition in Bewegung

Stativ – ja, statische Fotos – nein. Einfach, nicht wahr? Spielen Sie mit der Dynamik der Komposition, beziehen Sie Raumtiefe, Diagonalen, Frosch- und Vogelperspektive in Ihre Fotos ein. Es wäre gut, wenn Sie bei all dem das ursprüngliche Motiv nicht verlieren würden, aber wenn das Ihre Absicht ist, können Sie die Architektur, die Sie fotografieren, ruhig ausblenden und die Stärke der Komposition zur Geltung kommen lassen. 

10. Trauen Sie sich, in der Nachbearbeitung etwas hinzuzufügen

Am Computer können Sie dann minimalistisch eine von zwei Vorgehensweisen wählen. Entweder Sie bearbeiten die Fotos nur in kleinen Details und lassen ihre Natürlichkeit und Einfachheit durchscheinen, oder Sie nehmen weitere Anpassungen vor, unterdrücken die Schattenzeichnung, überbelichten das Weiß im Schwarz-Weiß-Foto oder konzentrieren sich auf eine bestimmte Farbe in einem Farbfoto. Letzteres wird mehr Spaß machen.