Tschernobyl Die verlassene Stadt Prypjat
Das Unglück von Tschernobyl hat die Weltgeschichte nachhaltig geprägt und seine Auswirkungen sind bis heute spürbar. Was geblieben ist, ist eine Geisterstadt – Prypjat und seine Umgebung, in der die Natur ihre Herrschaft über den Menschen zurückgewinnt. Begeben Sie sich mit Ihrer Kamera auf einen Streifzug durch einen Ort, der einen faszinierenden Einblick in die Vergangenheit bietet.
Das Kernkraftwerk Tschernobyl, früher W.I. Lenin-Kraftwerk, wurde 1977 in Betrieb genommen und galt als der Stolz des kommunistischen Regimes. In seiner Nähe wurde eine der modernsten Städte der damaligen Sowjetunion, Prypjat, errichtet. Sie diente vor allem als Wohnort für die Familien der Mitarbeiter des Kraftwerks.
Die Stadt Prypjat sollte eine Art Stadt für die Auserwählten sein, mit vielen Geschäften, einem Fußballverein, einem Hafen oder einem Vergnügungspark. Die Menschen führten dort ein glückliches Leben, bis zu der schicksalhaften Nacht des 26. April 1986. Damals ereignete sich eine Tragödie, die noch heute das Leben vieler Menschen beeinflusst. Nach dem Unglück wurde das gesamte Gebiet für viele Jahre gesperrt. Um das Sperrgebiet zu betreten, sind eine Genehmigung und idealerweise ein Führer erforderlich. Was kann man als Fotograf hier erwarten und was ist interessant?
Von einem Besuch der Region Tschernobyl wird aufgrund des militärischen Konflikts in der Ukraine dringend abgeraten! Touren in dieses Gebiet sind bis auf Weiteres von allen seriösen Agenturen eingestellt.
Die Geisterstadt Prypjat
Vor allem Fotografen, die sich dem Thema Urbex oder Architektur verschrieben haben, werden hier auf ihre Kosten kommen, aber auch andere Besucher werden sich nicht langweilen.
Das vielleicht attraktivste Ziel ist die verlassene Stadt Prypjat. Sie liegt etwa 3 Kilometer vom Kraftwerk entfernt und war unmittelbar nach dem Unfall stark vom radioaktiven Niederschlag betroffen. Die Evakuierung der Stadt begann jedoch erst am Tag nach dem Unfall. Die Menschen wurden angewiesen, nur Grundnahrungsmittel für ein paar Tage mitzunehmen. Die meisten von ihnen kehrten jedoch nie wieder in die Stadt zurück.
Das macht Prypjat heute zu einer Geisterstadt, in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint – die meiste Einrichtung ist noch vorhanden, und obwohl die Stadt teilweise geplündert wurde, gibt es noch viel zu entdecken.
Berühmtes Schwimmbad und verlassene Wohnsiedlung
Die Führungen durch Prypjat beginnen in der Regel an der berühmten Schwimm- und Sporthalle, die mehrere Jahre lang die letzte funktionierende Einrichtung nach dem Unfall war. Sie wurde von Arbeitern genutzt, die in dem betroffenen Gebiet Dekontaminations- und Messarbeiten durchführten. Heute sind Schwimmbad und Halle baufällig und bieten Fotografen interessante, wenn auch etwas unheimliche Fotomotive.
In der leeren Schwimm- und Sporthalle tobt nur noch der Wind.
Die Entdeckungstour geht weiter durch Wohnsiedlungen, die aufgrund des baufälligen Zustands der Gebäude in der Regel nicht betreten werden dürfen. Dennoch können wir einen Blick in einige verlassene Wohnungen werfen.
In den verlassenen Wohnungen findet man in der Regel nur ein stummes Zeugnis davon, wie die Atmosphäre vor der Evakuierung gewesen sein könnte.
Von den oberen Etagen aus hat man einen Blick auf die verlassene Stadt. Die Natur holt sie sich langsam aber sicher zurück. Von den Balkonen aus hat man eine schöne Aussicht. Allerdings sollten Sie beim Betreten der Balkone vorsichtig sein, damit Ihr Abenteuer nicht bestenfalls mit einem ungewollten Sturz in die darunter liegende Etage endet.
Besichtigung des Kindergartens und des Stadions
Der nächste Halt könnte ein verlassener Kindergarten sein, der für die Fotos der zurückgelassenen Puppen berühmt ist. Die meisten dieser Fotos sind jedoch künstlich inszeniert. Viele von ihnen wurden von Fotografen oder anderen Besuchern hierher gebracht, um die bedrückende Atmosphäre des Ortes noch zu unterstreichen.
Das Stadion, in dem früher der Fußballverein FK Stroitěl Prypjat spielte, ist heute so überwuchert, dass sein ursprünglicher Zweck nur noch an den Tribünen zu erkennen ist. Außerdem gibt es im Stadion mehrere sogenannte Hot Spots – Stellen, die immer noch hoch radioaktiv sind.
Vergnügungspark
Eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten von Prypjat ist das Riesenrad im Vergnügungspark. Es sollte am 1. Mai 1986 eröffnet werden, doch aufgrund der Havarie kam es nie dazu. Heute ist das Riesenrad baufällig, und es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, wie lange es noch stehen wird.
Auch heute noch kann man mit demselben Typ von Riesenrad fahren, zum Beispiel in der Stadt Navoiy in Usbekistan.
Der Vergnügungspark bietet viele Attraktionen. Sehr fotogen ist die verlassene Autoscooterbahn, die bei vielen von uns Kindheitserinnerungen weckt. Auch sie ist ein weiteres Symbol für Trostlosigkeit und Leere, wodurch sie Besucher aus der ganzen Welt fasziniert.
Einkaufszentrum und die nähere Umgebung
Nur einen kurzen Spaziergang vom Vergnügungspark entfernt befindet sich das ehemalige Einkaufszentrum am Leninplatz. Früher gab es dort Warteschlangen für Waren, die anderswo in der Sowjetunion schwer zu bekommen waren.
Heute erkennt man es nur noch an den kaputten Einkaufswagen. Außerdem finden Sie viele Zeichnungen von Tieren und anderen Szenen, die auf verlassene Gebäude gemalt wurden.
Straßenkunst in Prypjat
Auf dem Platz finden Sie auch verlassene Restaurants, den Energetik-Kulturpalast oder das Hotel Polesí. Am Ende seines Betriebs beherbergte es Arbeiter, die die Folgen des Unglücks beseitigten.
Weg zum Hafen
Auf dem Weg zum Hafen trifft man auf das Prometheus-Kino, das sich direkt neben der Musikschule befindet. Hier befinden sich interessante Riesenmosaike, die das Prunkstück der Sowjetära waren. Man findet sie noch heute an verschiedenen Orten in den postsowjetischen Republiken.
Früher befand sich vor dem Eingang der Musikschule eine Prometheus-Statue. Nach dem Unglück wurde sie vor das Kraftwerk versetzt, wo sie die Statue von W. I. Lenin ersetzte, damit niemand die Tragödie mit seinem Namen in Verbindung bringen würde.
Am Hafen gibt es auch ein Café mit einem gut erhaltenen Buntglasfenster, das in seiner Blütezeit gut besucht war. Heutzutage wird hier allerdings kein guter Kaffee mehr serviert.
Unterhalb des Cafés befindet sich eine Anlegestelle, von der aus früher Schifffahrten auf dem Fluss Prypjat angeboten wurden. Bei meinem Besuch waren nur ein halb versunkenes Hausboot und Kräne zu sehen, die den nahe gelegenen Frachthafen bedienten.
Ärztezentrum und Schule
Feuerwehrleute, die bei dem Unglück eingesetzt waren, wurden in dieses Ärztezentrum gebracht. Ihre Kleidung war so stark verstrahlt, dass sie im Keller des Gebäudes gelagert wurde, wo sie sich noch heute befindet.
Auch nach vielen Jahren findet man hier noch das radioaktivste Objekt in ganz Prypjat. Ein Tuch, das früher zur Uniform eines Feuerwehrmanns gehörte und das jemand aus dem Keller geholt haben muss.
Auf dem Weg von Prypjat kann man die ehemalige Schule besichtigen, die langsam zerfällt.
Tschernobyl, Prypjat und die umliegende Sperrzone sind eine tragische Erinnerung an das menschliche Leid. Darüber hinaus ist es jedoch ein faszinierender Ort, nicht nur für Fotografen und Geschichtsliebhaber.
Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, Ihnen diesen faszinierenden Ort näherzubringen, auch wenn ein Besuch in der Sperrzone von Tschernobyl aufgrund des derzeitigen militärischen Konflikts in der Ukraine momentan nicht möglich ist.
Die Besichtigung von Prypjat endet hier. Sie können sich jedoch auf weitere Streifzüge durch die Sperrzone freuen, in der viele interessante Dinge zu finden sind.
Marc Wayne Schechtel
Toller bericht + Fotos!