Produktfotografie in einem improvisierten Tischfotostudio

Sie müssen kein Studio mieten, keine großen Räumlichkeiten suchen oder teure Technik besitzen. Um in die Produktfotografie einzusteigen können Sie auch einfach kleiner Dinge fotografieren und dabei einiges über die Arbeit mit Licht lernen. Dazu brauchen Sie nur ein paar wenige Requisiten, die Sie sicherlich bereits zuhause haben.

Es müssen nicht immer Menschen oder Landschaften sein. Viele Ideen kann man auch ganz leicht auf einer Tischoberfläche realisieren, wobei es sich nicht zwingend um Makro handeln muss. In einer ultra-minimalistischen Variante reicht Ihnen für ein improvisiertes Ministudio ein Blatt Papier, eine Lampe und eine Kamera mit Stativ. Und natürlich etwas, das Sie fotografieren werden. Auf diese Weise können Sie auch einige Grundprinzipien der Arbeit mit Licht in der Praxis ausprobieren.

„Backstage“ unseres kleinen Fotostudios.
„Backstage“ unseres kleinen Fotostudios.
„Backstage“ unseres kleinen Fotostudios.Dieses Bild entstand bei den gegebenen Einstellungen. Das Foto ist nicht schwarz-weiß, nur der Weißabgleich wurde noch nicht genau durchgeführt.  Canon 350D, Canon EF-S 18-55/3,5-5,6, 1/25 s, F5,6, ISO 100, Brennweite 41 mm
„Backstage“ unseres kleinen Fotostudios.Dieses Bild entstand bei den gegebenen Einstellungen. Das Foto ist nicht schwarz-weiß, nur der Weißabgleich wurde noch nicht genau durchgeführt.
Canon 350D, Canon EF-S 18-55/3,5-5,6, 1/25 s, F5,6, ISO 100, Brennweite 41 mm

PAPIER = HINTERGRUND

Beginnen wir mit dem Papier. Es wird uns als Unterlage dienen und als Faustregel gilt: Je größer, desto besser. Bei größeren Formaten kann man nicht nur  mit größeren Szenen arbeiten, sondern auch kürzere Brennweiten und somit breitere Aufnahmen machen. Um Verschiebungen zu verhindern ist es hilfreich, das Papier entweder an den Tisch zu kleben oder etwas drauflegen.

Eine gewagtere Komposition, die aber immer noch (knapp) auf ein A3 Blatt passt.  Canon 350D, Canon EF-S 18-55/3,5-5,6, 1/15 s, F8,0, ISO 100, Brennweite 33 mm
Eine gewagtere Komposition, die aber immer noch (knapp) auf ein A3 Blatt passt.
Canon 350D, Canon EF-S 18-55/3,5-5,6, 1/15 s, F8,0, ISO 100, Brennweite 33 mm

Das ich ein weißes Papier verwendet habe, muss Sie noch lange nicht in Ihrer Wahl einschränken. Mit schwarzem Papier können Sie dramatische Szenen nachstellen, bunte Töne vermitteln wiederum fröhlichere Eindrücke.

LICHTQUELLEN

Diesbezüglich ist die Auswahl wirklich groß. Sie können alles, was Sie bei der Hand haben, verwenden: ferngesteuerte Blitze, Tischlampen, Fahrradlampen oder Schlüssellämpchen – mit alle kann gearbeitet werden.

Der einzige Nachteil von schwachen Lichtern ist, dass es rundherum dunkel sein muss, damit sie überhaupt Wirkung haben (das gilt auch für Tischlampen). Lange Winterabende sind für unser Fotografieren also optimal.

Neben der Leistung haben die Lichter auch noch andere Eigenschaften, wie man ausnutzen kann. Gegebenenfalls kann man diese sogar abändern, falls sie nicht Ihren Vorstellungen entsprechen. Während bei Tischlampen das Licht so entsteht, dass es von einer großen Fläche kommt und weiche Schatten erzeugt, produzieren Taschenlampen eher punktuelles Licht mit extrem harten Schatten.

Das eine kann man aber in das andere umwandeln. Während die Tischlampe durch bloßes Wegziehen vom fotografierten Objekt zu einer kleineren Lichtquelle wird, reicht bei Taschenlampen ein vorangestelltes Blatt Papier um das Licht zu zerstreuen. Zwar dunkelt das Papier die Szene auch ab, beim Verwenden von Stativen kann man das aber durch eine längere Belichtungszeit wieder korrigieren.

Harter Schatten einer Fahrradlampe versus weicher Schatten, der durch Hinhalten eines einfachen Büropapiers entsteht. Die Belichtungszeit verändert sich von 1/20 Sekunde auf 1/2 Sekunde.
Harter Schatten einer Fahrradlampe versus weicher Schatten, der durch Hinhalten eines einfachen Büropapiers entsteht. Die Belichtungszeit verändert sich von 1/20 Sekunde auf 1/2 Sekunde.

Im oberen rechten Bild sieht man außerdem, dass das Licht rasch weniger wird. Das könnte verhindert werden, wenn man die Lichtquelle und/oder das Papier weiter aus der Szene schieben würde – dadurch käme es zwar zu einer weiteren Abdunkelung, die Lichtabnahme würde mit der Entfernung aber viel langsamer verlaufen.

FOTOTECHNIK

Zur Ausstattung habe ich auch ein Stativ gezählt, die Gründe dafür sollten aus den vorherigen Absätzen zum einen klar sein – da schwache Lichtquellen verwendet werden, braucht man längere Belichtungszeiten, damit die Kamera alles hell genug aufnimmt.

Ein weiterer Grund ist die Wiederholbarkeit. Bei der Produktfotografie werden üblicherweise Position, Lichter und weitere Szeneneigenschaften so lange angepasst, bis nicht alles den eigentlichen Vorstellungen entspricht. Meistens werden ein zwei Aufnahmen gemacht, diese dann überprüft und nach kurzer Zeit werden weitere geknipst, die immer besser werden. Die Aufnahmen können bei einer aufrechten Verbindung (mit Kabel oder kabellos mittel Wi-Fi im Gerät, Eye-Fi SD Karte etc.) auch sofort am PC kontrolliert werden.

Es wird praktisch immer der manuelle Fotomodus verwendet, damit man alles 100%ig beeinflussen kann. Es lohnt sich auch einen konkreten Weißabgleich einzustellen, damit die Kamera nicht jedes  Mal das Weiß neu abschätzen muss, was überdies zu Farbänderungen zwischen den einzelnen Fotos führen kann.

Wenn Sie nur einen kleineren Fotoraum zur Verfügung haben, brauchen Sie eher längere Brennweiten, damit in der Aufnahme nicht die Grenze zwischen Hintergrund und restlichem Raum sichtbar wird. Manchmal wird man aber durch die minimale Schärfungsentfernung des Objektivs eingeschränkt, weshalb man zunächst das Objektiv mit den besten Werten auswählen muss.

Da kleine Objekte fotografiert werden, müssen Sie mit einer kleinen Schärfentiefe rechnen. Das kann man zum Vorteil der Aufnahme nutzen, allerdings muss, wenn alles scharf werden soll, eine deutlich höhere Blende eingestellt werden. Mit einem guten Stativ sollte das aber kein Problem sein.

Hier wurde die kleine Schärfentiefe ausgenutzt.    Canon 350D, Canon EF-S 18-55/3,5-5,6, 1/5 s, F5,6, ISO 100, Brennweite 42 mm
Hier wurde die kleine Schärfentiefe ausgenutzt.
Canon 350D, Canon EF-S 18-55/3,5-5,6, 1/5 s, F5,6, ISO 100, Brennweite 42 mm

TIPPS UND TRICKS

Auch bei Produktfotografie gelten gewisse Bildkompositionsregeln. Beispielsweise im folgenden Foto finden Sie den Goldenen Schnitt, die Diagonalmethode, sich wiederholende Elemente, bzw. eine Unterbrechung des Bildrhythmus.

Kompositionsregeln in der Praxis. Um eine große Schärfentiefe zu erreichen, wurde eine extreme Blende von F29 verwendet.  Canon 350D, Canon EF-S 18-55/3,5-5,6, 2,0 s, F29, ISO 100, Brennweite 54 mm
Kompositionsregeln in der Praxis. Um eine große Schärfentiefe zu erreichen, wurde eine extreme Blende von F29 verwendet.
Canon 350D, Canon EF-S 18-55/3,5-5,6, 2,0 s, F29, ISO 100, Brennweite 54 mm

Das Licht kann man noch viel mehr, als bereits gezeigt, steuern. Sobald es an ungewollte Stellen scheint, lässt es sich auch teilweise mit Kartons, Bücherstapeln oder anderem abdecken.

Auch die Lichtfarbe kann beispielsweise mit einer Farbfolie abgeändert werden. Passen Sie jedoch auf, dass bei warmen Lichtern die Folie nicht  schmilzt oder sich auf die Glühbirne klebt. Es ist besser, einen räumlichen Abstand einzuhalten.

Bei gewissen Szenen können Sie auch mehrere Lichtquellen verwenden. Vorsicht aber, dass Ihnen alle Lichter gleich weiß vorkommen können, obwohl dies nicht der Fall sein muss. Bei mehreren Lichtquellen kann außerdem der Weißabgleich nie richtig eingestellt werden. Sollte der Unterschied zu markant sein, bleibt als letzte Lösung eine Umwandlung der Aufnahme in Schwarz-Weiß.

Besitzen Sie nur eine Lichtquelle? Nicht verzweifeln! Eine zweite, schwächere und zerstreutere, können Sie sich kann leicht basteln, indem Sie auf die andere Seite der Szene ein weißes Papier positionieren. Das wird in weitere Folge das ursprüngliche Licht reflektieren und ansonsten dunkle Schatten werden auf diese Weise aufgehellt. Praktisch ein “kleiner Bruder“ eines üblichen Reflektors.

Das Reflexpapier, dessen Wirkung allerdings nur auf den nächstgelegenen Szenenteilen zu sehen ist. Hier würde wiederum helfen, die Lichtquelle ein wenig zu entfernen, damit die Lichtabnahme sanfter verläuft.
Das Reflexpapier, dessen Wirkung allerdings nur auf den nächstgelegenen Szenenteilen zu sehen ist. Hier würde wiederum helfen, die Lichtquelle ein wenig zu entfernen, damit die Lichtabnahme sanfter verläuft.

KEINE ANGST VOR EXPERIMENTEN

Wir haben hier nur grundlegende Möglichkeiten angedeutet. Es hindert Sie nichts daran noch viel mehr auszuprobieren und verschiedenste Experimente durchzuführen.

Im nächsten Artikel dieser Serie werden wir die Produktfotografie gründlicher beleuchten und wir werden uns ansehen, wie sie mit noch größerer Ausstattung abläuft und wie typische Probleme gelöst werden, die auf die Fotografen bei dieser Aufgabe zukommen.

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AutorVít Kovalčík

Ich bin seit 2012 freiberuflich tätig und verdiene meinen Lebensunterhalt als Fotograf in Brünn. In den vergangenen Jahren habe ich meine Erfahrungen mit Fotografie im Studio und anderswo gesammelt, als ich tagsüber arbeitete und abends und am Wochenende fotografierte. Ich habe kein bestimmtes Thema - ich fotografiere gerne Menschen, aber auch Landschaften und Städte.

Kommentare (6)

  1. gute Anleitung. In 2 Monaten wird unsere Fotogruppe so ähnlich Produkt – und Nah -Fotografie machen

    1. Guten Tag, danke, das freut uns sehr zu hören! Zeigen Sie uns einige von Ihren Fotos. Wir sind sehr neugierig…
      Schöne Grüße, Zoner Redaktion

  2. Mit einer Bridge-Kamera, wie z.B. die Coolpix L-830 (Nikon), hat man allerdings leider weniger Spielraum, da eine direkte Beeinflussung der Kameraeinstellungen nicht möglich ist. Sie bietet leider nur voreingestellte Programme. Da zeigen sich dann die Nachteile solcher Kameras.

    Aber mal sehen, ob und wie sich auch mit einer Coolpix experimentieren lässt.

    Ansonsten finde ich eure Anleitungen immer sehr inspirierend.

    1. Guten Tag Bert, Vielen Dank für Ihre positive Rückmeldung.
      Stimmt, die Nikon Coolpix verzichtet leider zugunsten der zahlreichen Motivprogramme
      auf einen manuellen Modus.
      Auf Experimente brauchen Sie trotzdem nicht zu verzichten: farbige Folien, unterschiedliche Lichtquellen usw. bieten auch ohne manuelle Einstellungen viele Möglichkeiten.
      Schöne Grüße, Zoner Redaktion

  3. Ich möchte mich bei Ihnen einmal recht herzlich bedanken.
    Dank Zoner Photostudio ist mir vieles ermöglicht worden ,
    ich kann noch eine Menge dazu lernen.

    Endlich habe ich Erfolg und weiß wie Fotografie funktioniert.

    Ihr macht Top Arbeit. Mein Respekt .

    Manch geglaubtes Foto konnte ich retten. Weiter so.

    Ich bin ein Fan eurer Arbeit und dessen Magazin. mrlinux71

    1. Guten Tag mrlinux71, das freut uns wirklich sehr! Wir hoffen, dass auch weitere Artikel und Tipps interessant für Sie werden. Wenn Sie mehr zum irgendwelchen Thema wissen wollen, geben Sie uns einfach Bescheid (magazin@zonerama.de). Schöne Grüße, Zoner Redaktion

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