Theaterfotograf Roman Polášek: Man muss das Theater unter der Haut haben
„Die Visualität der Aufführung muss mit Demut eingefangen werden. Ihre eigenen Visionen können Sie in der freien Schöpfung verwirklichen“, richtet Roman Polášek an alle, die sich für die Position eines Theaterfotografen interessieren. Das nur, damit es gleich von Anfang an klar ist, dass Sie im abgedunkelten Auditorium schlicht im Dienst von Thalia stehen. Ein in Ostrava lebender Fotograf, der unter anderem Architektur fotografiert und einer der Kuratoren der bekannten Fiducia Fotogalerie ist, die sich mit zeitgenössischer Kunst befasst, fotografiert seit 13 Jahren Theater. Und seine bewährten Tipps teilt er gerne mit Ihnen in unserem Interview.
Wenn man sich dazu entschließt, Natur oder Porträts zu fotografieren, ist der Einstieg relativ einfach. Mit der Theaterfotografie ist es wahrscheinlich nicht so simpel…
Ich hatte das Glück, dass ich, bevor ich anfing, für das Theater zu fotografieren, ungefähr fünf Jahre im Theater gearbeitet habe. Konkret war es im Petr Bezruč Theater. Ich habe zuerst als Bühnenbildner, dann als Bühnenmeister gearbeitet. So hatte ich einen leichteren Zugang zum Theatermilieu.
Wie lange fotografieren Sie schon Theater?
Seit 2007, als der künstlerische Leiter der Kammerszene Arena aus Ostrava (KSA – Komorní scéna Aréna), Ivan Krejčí, auf mich zukam, damit ich Porträts ihrer Schauspieler mache. Wahrscheinlich haben ihn die Porträts der Obdachlosen, die ich damals ausstellte, auf mich aufmerksam gemacht. Er bot mir an, zu versuchen, eine Theateraufführung zu dokumentieren, und seitdem arbeiten wir zusammen. Seit 2008 fotografiere ich für das Puppentheater in Ostrava (DLO – Divadlo loutek Ostrava). Der künstlerische Leiter Václav Klemens kam dort auf mich zu. Ich kenne sowohl Ivan als auch Václav vom oben genannten Petr Bezruč Theater. Also ja, bei der Theaterfotografie geht es auch um persönliche Beziehungen.
Theaterfotografie wird oft widersprüchlich wahrgenommen. Einerseits scheint es, dass der Fotograf die Visualität direkt auf einem Silbertablett serviert bekommt, andererseits sind viele Leute von der technischen Komplexität entmutigt. Wie denken Sie darüber?
Theater ist sicherlich eine technisch anspruchsvolle Disziplin. Meistens wenig Licht, rapide Lichtwechsel und fast kein Abstand zu den Schauspielern in den Theatern, in denen ich fotografiere. Aber es ist viel besser geworden, seit ich angefangen habe. Die fotografische Technik hat einen großen Sprung nach vorne gemacht.
Welche Rolle spielt ein Fotograf, der eine Theateraufführung aufzeichnet?
Man muss gut zuschauen und nicht viel nachdenken. Eher die Visualität beobachten – damit meine ich die Ausdrücke der Schauspieler und die Lichtatmosphäre -, anstatt zu versuchen, das Stück selbst zu interpretieren.
Es ist also nicht erforderlich, sich mit dem Inhalt der Aufführung im Detail vertraut zu machen, um beispielsweise den Kontext zu kennen, unter dem das Spiel entstanden ist.
Ich habe es gern, wenn ich im Voraus nichts über die Aufführung weiß und nur einen Versuch habe, sie zu fotografieren. Es ist Adrenalin, wo man das Beste aus sich herausholen muss. Dies geschieht aber nur bei Theaterfestivals. Das normale Üben und Arbeiten mit dem Ensemble sieht so aus, dass ich Fotos von der ersten Leseprobe, den Kostümproben, Bühnenproben, über die Generalprobe bis zur Danksagung nach der Premiere mache.
Dank der großartigen Einführungen bei den Leseproben im KSA vom Dramaturgen Tomáš Vůjtek erhalte ich ziemlich viele Informationen über das Stück. Das Wichtigste ist das Fotografieren der letzten Generalprobe in Kostümen und mit Lichtern. Normalerweise fotografiere ich zwei von vier oder fünf Generalproben, damit die Schauspieler auch in Ruhe ohne Fotografen arbeiten können. Was die Bildtypen angeht, muss der Verlauf der gesamten Aufführung aufgezeichnet werden, damit alle Schauspieler, sowie immer ein Foto jeder Szene des Stücks selbst vorhanden sind. Und dann muss man einige visuell ansprechende Fotos machen, um für die Show zu werben und natürlich die Charaktere in den Hauptrollen im Detail festzuhalten.
Man verbindet ein Theaterfoto oft mit einer Schwarz-Weiß-Ausführung.
Ich habe mit Schwarzweißfotografie angefangen, und obwohl ich sie immer noch sehr mag, fotografiere ich Theater nur in Farbe.
Sind Schauspieler wirklich so lustig und entspannt, wie sie sich in der Öffentlichkeit präsentieren?
Natürlich, sie können wunderbar improvisieren, man wird sich mit ihnen bestimmt nicht langweilen. Und da ich Porträts für das ganze Ensemble mache, glaube ich, dass ich sie ziemlich gut kenne und sie mich.
In den letzten Jahren wird die Atmosphäre der Aufführungen stark vom Lichtdesign bestimmt. Was ist ein Segen für den Fotografen und was ein Albtraum?
Man kann eine Aufführung gut fotografieren, die erhebliche Licht- und Farbveränderungen aufweist. Umgekehrt, wenn während der Aufführung keine oder nur eine Lichtänderung auftritt, ist es komplizierter. Man muss 80-100 Fotos machen, damit sie einander nicht ähneln! Vor kurzem gab es im KSA zwei solcher Inszenierungen – beide übrigens ausgezeichnet: Havel’s Benachrichtigung und Beckett’s Endspiel – bei denen am Anfang das Licht an und am Ende ausgeht. Der wahre Albtraum sind die neuen LED-Leuchten, auf die allmählich alle Theater umsteigen, weil sie das Licht langsam abgeben und es zudem auch noch relativ kalt ist.
Welche Vorstellung war für Sie persönlich am schwierigsten zu erfassen und warum?
Am anspruchsvollsten war die erste Aufführung, die ich fotografierte. Es war der Leutnant aus Inishmoor im KSA. Ich hatte gar keine Ausrüstung zum Fotografieren im Theater, und beim Nikon D200 konnte maximal ISO 800 eingestellt werden. Während der Aufführung fotografierte ich aus der ersten Reihe vom Rand mit einem Weitwinkel und einer alten manuellen 85/2. Ich habe wirklich geschwitzt, aber zum Glück wurde es danach nur noch besser.
Mit welcher Ausrüstung arbeiten Sie heute?
Ich habe früher Nikon-Spiegelreflexkameras von D200 bis D850 verwendet, wobei die D700 ein absoluter Wendepunkt war. Ich denke, dass sie bis heute absolut ideal für das Theater ist, nur der Spiegel ist furchtbar laut. (Bei ISO 3200 habe ich auf 140 × 110 cm gezoomt und es war wunderschön). Derzeit verwende ich eine spiegellose Nikon Z6-Kamera, bei der mir am besten gefällt, dass sie „nur“ 24 MP hat und wunderbar leise arbeitet. Selbst ISO 10.000 kann problemlos verwendet werden. Und idealerweise sollte man lichtstarke Objektive, 2.8-Zooms haben. Ich verwende meistens feste lichtstarke Objektive (20/1.8; 28/1.8; 35/1.4; 50/1.4, 85/1.8).
Tatsächlich würde mir nicht in den Sinn kommen, dass ein wichtiger Parameter einer Kamera darin besteht, leise zu sein.
Früher waren Spiegelreflexkameras ziemlich „laut“… Wenn Sie in einem großen Theater aus der 14. Reihe fotografieren, spielt das keine Rolle, aber aus der ersten ist es etwas anderes. Ich erinnere mich an eine Studentin, die mit einer Pentacon Six fotografierte. Die Spiegelschläge waren so laut, dass der Regisseur sie bitten musste, mit dem Fotografieren aufzuhören. Und wenn ein Fotograf von einer Zeitung kommt, und vergisst, den Aufnahmemodus zu wechseln und eine Kanonade mit 10 Bildern pro Sekunde startet, wie es bei Sportveranstaltungen üblich ist, denke ich, dass es für die Schauspieler nicht sehr angenehm ist. Derzeit habe ich auch eine Kamera, die keine Geräusche macht, sodass es möglich ist, Bilder auch in den leisesten Momenten aufzunehmen, ohne zu stören.
Welche Nachbearbeitungsverfahren verwenden Sie?
Ich beschneide, retuschiere und helle dunkle Bereiche auf, damit sie eine Struktur haben, und ansonsten mache ich nichts mehr mit den Bildern. Keine Filter, keine Details hervorheben. Ich denke immer noch, es geht mehr ums Sehen als um die Bearbeitung.
Sie fotografieren auch Puppentheater. Was ist dort die Besonderheit?
Natürlich, ich habe mir für die alternative Szene des Puppentheaters eine Zwanziger gekauft, denn sobald ich mit längeren Brennweiten fotografierte, wirkten die Puppen im Vergleich zu den Schauspielern furchtbar klein. Also fragte ich die Schauspieler, ob ich meine Perspektive ändern könnte und ob ich wirklich aus der Nähe Fotografieren dürfte. Manche Aufnahmen mache ich jetzt aus einer Entfernung von ungefähr 30-40 cm, aber normalerweise versuche ich, den Abstand von mindestens anderthalb Meter einzuhalten.
Sie behaupten, dass es wichtig ist, wo sich der Fotograf hinstellt, aber Theaterräumlichkeiten sind sehr unterschiedlich. Womit muss der Fotograf rechnen?
KSA ist dadurch besonders, da es keine erhöhte Bühne hat. Es wird in einer Arena gespielt, daher muss der Fotograf Bilder aus der ersten Reihe aufnehmen, damit man den Schauspielern in die Augen sehen kann. Oder ich bewege mich direkt auf der Bühne. Es ist beinahe schon „Kontaktsport“. Ich möchte anmerken, dass das KSA ein exzellentes Schauspieltheater mit einem anspruchsvolleren Repertoire ist (es wurde viermal mit dem Titel Theater des Jahres + vielen Einzelpreisen ausgezeichnet) und ich bin froh, dass ich Teil dessen sein kann, wie sich das Theater allmählich profiliert und reift. Seine Poetik des absurden, oft schwarzen Humors steht mir sehr nahe.
Das DLO ist ein Puppentheater, das hauptsächlich ein Repertoire für Kinder spielt, aber man findet dort auch Titel für Erwachsene. Es hat zwei Szenen – eine klassische Guckkastenbühne (das Auditorium ist durch ein Portal von der erhöhten Bühne getrennt – Anmerkung der Redaktion), von der ich hauptsächlich Fotos aus der fünften Reihe mit einem 70/200 mache. Und dann eine alternative, die der Szene von KSA sehr ähnlich ist – eine Art Arena mit variablem Auditorium. Ich möchte hinzufügen, dass dieses Theater auch Theaterfestivals, wie das Spectacullo Interesse Biennale organisiert. Ich dokumentiere dabei fast alle Aufführungen, davon gibt es ungefähr 30 und natürlich auch, was nebenher geschieht. Das ist in 6 Tagen ziemlich anstrengend, aber man sieht viele interessante Vorstellungen, sowohl aus der Tschechischen Republik als auch aus der ganzen Welt, denn das Festival ist international.
Das hört sich ziemlich anspruchsvoll an. Was sagt die Familie dazu? Sie müssen ziemlich tolerant sein.
Ich habe drei Kinder, sie wachsen auf den Puppentheater-Inszenierungen auf, sie gehen hinter die Bühne, zu den Generalproben, und die älteste Tochter hilft auch im KSA aus, worüber ich mich sehr freue.
Fotomix von beiden Theatern ohne Beschriftung:
Kontakt zum Fotografen Roman Polášek: erplus@email.cz.