Spiegelreflexkamera und spiegellose Systemkamera im Vergleich. Welche ist die Richtige für Sie?
Sogenannte spiegellose Systemkameras sind die Zukunft, die das Spiegelreflexkamerasystem schrittweise ersetzen wird. Diese Kameras basieren auf einem anderen Konzept, das sowohl Vor- als auch Nachteile hat. Spiegelreflexkameras werden uns aber noch lange begleiten, zumindest aus zweiter Hand. Daher ist es sinnvoll abzuwägen, welchen Apparat man sich zulegt.
Spiegellose Systemkameras gibt es bereits seit vielen Jahren. Das erste Gerät, das so bezeichnet wurde, erschien im Jahr 2009. Die frühen Generationen konnten aber nicht mit dem Fokus der Spiegelreflexkameras mithalten, sodass ihre Verwendung problematisch war. Das ändert sich zurzeit jedoch und aktuelle spiegellose Systemkameras sind abgesehen von Details mit Spiegelreflexkameras bereits vergleichbar oder übertreffen sie sogar in vielerlei Hinsicht.
Ich werde die Unterschiede anhand der Canon 5D Mark IV, die für (halb-) professionelle Spiegelreflexkameras steht, und der Canon R5, einem neueren Nachfolger derselben Serie, jedoch in spiegelloser Ausführung, zeigen. Mir ist klar, dass es sich hierbei um erstklassige Kameras handelt, jedoch haben aktuelle Geräte der unteren Klasse ähnliche Funktionen und die fehlenden Funktionen werden normalerweise innerhalb von wenigen Jahren mit dem Einzug besserer Prozessoren vererbt.
Der Spiegel ist der Schlüssel
Die Konstruktion der Geräte ist schon unterschiedlich. Bei Spiegelreflexkameras befindet sich, wie der Name schon sagt, ein Spiegelsystem (oder ein Glasprisma) in der Mitte. Dieses System stellt sicher, dass das Licht, welches durch das Objektiv hindurchtritt, in den Sucher gebrochen wird, sodass der Fotograf das sieht, was im Objektiv erscheint.
Die Situation ist tatsächlich etwas komplizierter, da das Bild in der Mitte auf die sogenannte Mattscheibe projiziert wird und wir es im Sucher von der gegenüberliegenden Seite betrachten. Dies ist in Bezug auf einen unten genannten Nachteil wichtig. Der Sensor sieht das Bild erst, wenn wir den Auslöser drücken. Dann schwingt der Hauptspiegel aus dem Lichtweg, wir sehen für den Bruchteil einer Sekunde nur Dunkelheit im Sucher und das gesamte Licht wandert zum Sensor.
Spiegellose Systemkameras betrachten die Welt durch den Hauptsensor, der ununterbrochen das Licht aufzeichnet und diese Aufzeichnung ständig im Sucher anzeigt, wo sich ein „normales“ LCD befindet. Die Idee ähnelt dem Fotografieren mit einem Smartphone, nur mit einer anderen Anordnung der Komponenten.
Ähnliches Fokussieren, aber trotzdem anders
Den ausführlichen Artikel über das Fokussieren werde ich hier nicht wiederholen, daher werde ich nur kurz zusammenfassen, dass Spiegelreflexkameras den sogenannten Phasenvergleich nutzen. Dank eines halbtransparenten Spiegels teilt sich der Lichtweg und in dem Moment, in dem Sie in den Sucher schauen, betrachtet die Szene auch ein spezieller Sensor für Autofokus. Im Prinzip hat er einige Stellen im Bild ausgewählt, auf die er aus verschiedenen Winkeln durch die Frontlinse des Objektivs schaut. Er ist dann in der Lage, bestimmte Teilbildpaare wie links und rechts oder oben und unten zu vergleichen und aus der Differenz, die zum Fokussieren erforderliche Entfernung zu berechnen.
Die ersten spiegellosen Kameras waren dazu nicht in der Lage und fokussierten viel langsamer durch die sogenannte Kontrast-Detektion. Aber das gehört langsam der Vergangenheit an, denn es wurde ein Weg gefunden, die ursprünglich getrennten Fokussensor und Hauptsensor zu kombinieren. Die fortschrittlichste ist die Dual-Pixel-Technologie, d.h. das jedes Pixel im Bild zweigeteilt ist und die Szene von links und rechts betrachtet werden kann. Die Informationen aus den beiden Hälften werden erneut verglichen, die Phasendifferenz wird anhand dessen bestimmt und der Fokus wird dann genau eingestellt.
Das Fokussierungsprinzip ist somit ähnlich, jedoch gibt es einen wichtigen Unterschied: Die Spiegelreflexkamera ist während der Fokussierung blind. Sie überträgt das Szenenbild nur an uns – die Fotografen, während die spiegellose Systemkamera immer das gesamte Bild auch außerhalb der Aufnahmezeit verarbeitet und alles analysieren kann, was sie für richtig hält.
Vorteile der Fokussierung bei einer spiegellosen Kamera
Moderne spiegellose Systemkameras können in einer Szene automatisch nach Gesichtern suchen, manchmal können sie sogar die Augen mit dem Fokuspunkt verfolgen.
Diese Fähigkeit ist im Vergleich zu Spiegelreflexkameras fast ein Wunder. Man muss nicht die Focus and recompose-Technik (Fokussieren und Bildausschnitt anpassen) nutzen und die Arbeit mit sehr lichtstarken Objektiven ist einfacher.
Darüber hinaus wird mit dem Hauptsensor fokussiert, sodass es nicht erforderlich ist, den ungenauen Fokus im Service fein einstellen zu lassen oder mithilfe der Microfocus Adjustment-Funktion zu optimieren.
Vorteile der Fokussierung bei einer Spiegelreflexkamera
Eine spiegellose Systemkamera sieht genau die Belichtung, die wir bestimmt haben (sofern im Menü nichts anderes festgelegt ist), d. h. wenn wir die Szene absichtlich unterbelichtet haben, erfasst sie tatsächlich die Dunkelheit. Und kann in ihr nicht richtig fokussieren. Spiegelreflexkameras hingegen fokussieren unter allen Bedingungen gleichermaßen.
Spiegelreflexkameras unterscheiden, im Gegensatz zu spiegellosen Kameras, die nur die linke und die rechte Bildvariante vergleichen können und beispielsweise nicht die Draufsicht und die Unteransicht, auch Differenzen in verschieden ausgerichteten Strukturen (bei Kreuzsensoren). Spiegelreflexkameras fokussieren somit auch horizontale Streifen, mit denen die moderne Konkurrenz Probleme hat.
Vorteile des Suchers einer spiegellosen Kamera
Der Sucher kann eine komplette Szene mit der richtigen Helligkeit, die den Belichtungseinstellungen entspricht, anzeigen. Gleichzeitig ist es möglich, zusätzliche Informationen anzuzeigen, beispielsweise ein Histogramm zur genauen Belichtungskorrektur (in beiden oberen Bildern.)
Nicht zu verachten ist auch, dass sie bei lichtstarken Objektiven, wie z.B. f/1.4, die korrekte Schärfentiefe anzeigen. Die Standard-Mattscheibe einer Spiegelreflexkamera kann dies nicht und zeigt das Bild so an, als hätten wir ein f/2.5 Objektiv.
Spiegellose Kameras bieten auch andere Hilfsmittel, die beispielsweise beim manuellen Fokussieren nützlich sind. Es ist kein Problem, dem Benutzer visuell zu signalisieren, wie unscharf die gegebene Stelle ist.
Und wenn das nicht reicht, kann man anstelle des Ganzen ein Detail der jeweiligen Stelle anzeigen.
Aktuelle Spiegelreflexkameras verfügen auch über ähnliche Funktionen, jedoch nur im Live View-Modus, d. h. wenn Sie auf den Sucher verzichten und auf das hintere Display schauen. Dadurch verwandeln sie sich indirekt in „temporäre spiegellose Kameras“.
Vorteile des Suchers einer Spiegelreflexkamera
Der optische Sucher, mit dem wir direkt die Realität betrachten, reagiert immer etwas schneller als ein digitaler, auch wenn der Unterschied nicht mehr groß ist.
Ebenso muss der Sucher nicht eingeschaltet werden, sodass das erste Foto deutlich schneller aufgenommen werden kann.
Der Sucher verbraucht auch keinen Strom, wodurch Spiegelreflexkameras mit derselben Batterie für gewöhnlich mehrfach länger auskommen.
Bei den Vor- und Nachteilen sollte betont werden, dass es auf die Qualität der beiden Suchertypen ankommt. Die optische Variante kann größer oder kleiner sein und LCD-Sucher gibt es in unterschiedlichen Auflösungen und verschiedenen Bildwiederholfrequenzen – bei niedrigeren oder älteren Modellen sind diese meistens schlechter. Sie können also bei einigen spiegellosen Systemkameras auf langsame und verpixelte Sucher treffen, was bei Spiegelreflexkameras nicht vorkommen kann.
Weitere Vorteile von spiegellosen Kameras
Viel häufiger als Spiegelreflexkameras verfügen sie über eine sensorbasierte Bildstabilisierung, sodass Sie auch mit nicht stabilisierten Objektiven längere Verschlusszeiten aufnehmen können.
Die Gehäuse sind in der Regel kleiner und leichter, da das Spiegelsystem und häufig ein schweres Glasprisma (in billigen Spiegelreflexkameras auch nicht enthalten – stattdessen mehrere Spiegel) wegfallen.
Während der Aufnahme bewegt sich der Spiegel nicht ständig, wodurch viel weniger Vibrationen entstehen, was sich in der Schärfe des Fotos widerspiegelt. Dank des Fehlens eines Spiegels ist es auch einfacher, schnellere Serienaufnahmen und gleichzeitig leiseres Arbeiten zu erzielen.
Einige Hersteller haben weitere kreative Funktionen. Zum Beispiel Olympus, dessen Kameras Bilder im temporären Speicher speichern, während man in den Sucher schaut, und die gespeichert werden, wenn der Auslöser gedrückt wird. Dadurch wird der Moment vor dem Fotografieren erfasst.
Und noch ein paar Vorteile der Spiegelreflexkameras
Ihr Sensor ist nicht ständig aktiv, wodurch er sich im Gegensatz zu spiegellosen Systemkameras nicht erwärmt. Ein kühlerer Sensor ist rauschärmer, was insbesondere bei längeren Belichtungen in einer Größenordnung von Minuten zu beobachten ist.
Sie müssen nicht immer einen Objektivdeckel verwenden. Ja, das Zerkratzen und Verschmutzen der Linse ist zwar ein Problem, aber wenn diese Gefahr nicht besteht, können Sie entspannt bleiben. Selbst wenn Sie ein Teleobjektiv der Sonne zugewandt liegen lassen, werden die Strahlen harmlos durch den Sucher geleitet. Bei spiegellosen Systemkameras trifft das Licht jedoch auf den Sensor oder die Verschlussblätter und kann erhebliche Schäden verursachen. Dies ist nicht nur eine theoretische Warnung, wie die Fotos im Artikel von Lensrentals zeigen.
Das Problem mit Staub ist etwas geringer, da der Sensor, auf dem sich der Staub absetzen kann, tief liegt und die meiste Zeit von einem Spiegel abgeschirmt wird. Bei einigen Herstellern von spiegellosen Kameras ist der Sensor bei Leerlauf mit Verschlusslamellen abgedeckt. Dies löst aber nicht das Problem, dass beim Aufnehmen Staubkörner vom Objektiv auf den Sensor fallen.
Der theoretische Vorteil ist die große Auswahl an Objektiven für ein bestimmtes System, aber für die meisten spiegellosen Systeme können identische Objektive mit einem Adapter verwendet werden.
Spiegellose Systemkameras haben die Nase vorn, aber nicht immer
Die Vorteile der spiegellosen Kameras sind groß, aber auch mit Spiegelreflexkameras kann man immer noch sehr gut fotografieren und muss keine Angst davor haben. Wenn man zudem nicht das Beste, was der aktuelle Markt bietet, benötigt, kann man ohne Weiteres eine gebrauchte Spiegelreflexkamera kaufen, mit der man großartige Bilder aufnehmen kann, bei denen niemand den Unterschied zu neueren Technologien erkennen wird. Und das Wichtigste zum Schluss – letztendlich geht es doch hauptsächlich um das fotografische Auge!
Weitere Vor- und Nachteile beider Systeme finden Sie im Artikel Digitale Spiegelreflexkamera vs. Systemkamera: die jeweiligen Vor- und Nachteile.