So fotografieren Sie Tiere auf dem Bauernhof: Das Nutztier als Fotomodel

Wenn man von Tierfotografie spricht, denken die meisten Menschen an Hunde, wilde Natur, exotische Tiere oder zumindest an Rehe am Waldrand. Aber was ist mit einer Kuh, Ziege oder einem Huhn? Das Fotografieren von Nutztieren, sei es auf dem Land oder in einem Tierasyl, ist vielleicht nicht die erste Wahl, doch gerade Tierporträts von diesen Orten sind oft umso überraschender.
Sogenannte Nutztiere leben seit jeher mit uns, und doch wissen wir oft erstaunlich wenig über sie. Sie haben ihre eigenen Gewohnheiten, Emotionen, Beziehungen und Ausdrücke – und genau das macht sie als Fotomodels unerwartet attraktiv. Außerdem können wir sie im Gegensatz zu Wildtieren oft anfassen, ihnen nahe sein und sie in natürlichen Situationen beobachten.
Lernen Sie Ihr Model kennen
Ein gutes Porträt beginnt mit der Beobachtung. Und bei Tieren gilt das in doppelter Hinsicht. Bevor Sie Ihre Kamera in die Hand nehmen, bleiben Sie für einen Moment stehen und beobachten Sie. Wer ist zurückhaltend? Wer ist am neugierigsten? Welches Tier sucht den Kontakt zu anderen und welches bevorzugt es, stillzuliegen? Jede Tierart hat ihr eigenes typisches Verhalten und jedes Tier seine eigene Persönlichkeit.





All diese Momente haben eines gemeinsam: Man muss sie rechtzeitig einfangen. Und dazu braucht man nicht nur Fingerspitzengefühl, sondern auch ein gewisses technisches Know-how.
Technik ohne Stress
Selbst die gelungenste Aufnahme eines Tieres beginnt mit den Kameraeinstellungen. Wenn Sie Tiere in einer ruhigen Umgebung wie einem Bauernhof fotografieren, müssen Sie nicht auf extrem kurze Verschlusszeiten oder Serienaufnahmen setzen. Im Gegenteil, Sie können es sich leisten, das Tempo zu drosseln und sich auf die Atmosphäre zu konzentrieren.
Bei einer stillstehenden Kuh, einem grasenden Schwein oder einem neugierigen Huhn im Freien können Sie oft mit einem niedrigeren ISO-Wert (z. B. 100-400) und einer weit geöffneten Blende (f/1,8-f/3,5) auskommen, die den Hintergrund verschwimmen lässt und den Ausdruck des Tieres hervorhebt. Das Ergebnis sind sanfte, porträtähnliche Bilder mit weicher Wiedergabe und Betonung der Augen oder markanter Gesichtszüge. Unabhängig davon, ob es sich um die Schnauze, die Schnurrhaare oder einen Schnabel handelt.

Die Fokussierung auf die Augen ist bei Tieren genauso wichtig wie bei Menschen. Die Augen drücken nämlich Emotionen aus. Ein manueller Fokuspunkt oder die Verwendung der Augenerkennung, sofern Ihre Kamera dies unterstützt, kann helfen. Auch die kontinuierliche Fokussierung ist sinnvoll, insbesondere wenn sich das Tier bewegt. Der Augenkontakt des Tieres mit Ihnen oder sogar mit der Kamera selbst hat eine besondere Wirkung, als ob das Tier sagen würde: Ich sehe dich. Und ich erlaube dir, dass du mich auch siehst.

Wichtiger als die Parameter ist jedoch oft Ihre körperliche Anwesenheit. Tiere können spüren, ob Sie nervös, unruhig oder zu nah sind. Vermeiden Sie es, sie um jeden Preis dazu zu bringen, eine Pose einzunehmen, und seien Sie lieber bereit, wenn sie von sich aus näher kommen.

Die wichtigste Technik ist Ruhe. Und wenn man dem Tier ein wenig Vertrauen entgegenbringt, kann man sich auf Bilder freuen, die nicht nur schön, sondern auch echt sind. Doch wie bekommt man dieses Vertrauen? Das ist ein Kapitel für sich.
Nähe und Vertrauen
Vielleicht denken Sie, dass Sie ein langes Objektiv brauchen, um eine gute Aufnahme zu machen. Doch oft entstehen die besten Aufnahmen genau umgekehrt – wenn das Tier beschließt, zu Ihnen zu kommen. Und genau deshalb ist Vertrauen die Grundlage.

Die Tiere müssen Sie erst einmal kennenlernen. Sie beschnuppern Sie, schauen Sie von allen Seiten an, manchmal versuchen sie sogar, einen Schnürsenkel oder eine Ecke Ihres Rucksacks zu kosten. Manchmal ist es am besten, sich einfach ins Gras zu setzen und zu warten. Vor allem Ziegen haben keine Berührungsängste, und wenn sie sich in Ihrer Nähe wohlfühlen, kommen sie von selbst auf Sie zu.

Der eigentliche Zauber entsteht jedoch, wenn das Tier Sie in seine Welt lässt. Wenn es weiterhin das tut, was es immer getan hat, nur diesmal ohne Scham. Es legt sich hin, spielt, leckt das Jungtier oder kuschelt mit seiner Gefährtin. Dann entsteht der Raum für wirklich aussagekräftige Fotos – solche, die nicht nur das Aussehen, sondern auch die Beziehungen, die Stimmung und die Dynamik des Ortes einfangen.

Komposition mit Geschichte
Wenn das Tier sich entspannt und Sie nah an sich heranlässt, ist es an der Zeit, darüber nachzudenken, wie Sie seine Welt am besten einfangen können. Es kommt nicht nur darauf an, was Sie fotografieren, sondern auch, wie Sie es fotografieren. Schon eine kleine Veränderung des Blickwinkels, eine Veränderung der Höhe oder die Arbeit mit dem Hintergrund kann eine gewöhnliche Aufnahme in eine Geschichte verwandeln.

Denken Sie auch an den Schauplatz – ein Bauernhof, ein Stall oder eine Weide sind nicht nur eine Kulisse, sondern Teil der Geschichte. Die Heubündel, das Schimmern des Sonnenlichts auf dem Holztor, der Fleck von der Schnauze an der Scheunenwand – all das trägt dazu bei, die Atmosphäre des Ortes darzustellen. Und wenn sich das Tier zwischen die Strohballen stellt, durch das Tor geht oder sich für einen Moment hinter den Ästen versteckt, haben Sie einen natürlichen Bilderrahmen zur Hand.





Wenn Sie Tiere fotografieren, werden Sie natürlich Dutzende von Fotos von einem Tier machen, und wenn Sie Glück haben, wird wenigstens eines davon gut werden. Seien Sie darauf vorbereitet, geben Sie sich nicht mit einem einzigen Foto zufrieden und seien Sie bei der Auswahl kompromisslos. 1/6400 s, f/2.8, ISO 500, 35 mm
Achten Sie auf kompositorische Linien, die den Blick des Betrachters auf das Hauptmotiv lenken. Lassen Sie das Licht auf das Fell malen oder die Textur der Federn hervorheben. Die Sonne, die Schatten und der subtile Grasbewuchs im Vordergrund können einem Foto Tiefe und Weichheit verleihen.

Wo kann man Tiere fotografieren?
Vielleicht haben Sie jetzt Lust, sich Ihre Kamera zu schnappen und auf die Suche nach einer Kuh, einer Ziege oder einem Truthahn zu machen. Doch wo kann man solche Tiere eigentlich in einer natürlichen und zugänglichen Umgebung antreffen?
Eine großartige Möglichkeit sind Auffangstationen für sogenannte Nutztiere – Orte, an denen aus unangemessenen Bedingungen gerettete oder ausgesetzte Tiere leben. Im Gegensatz zu konventionellen Farmen gibt es hier keine Leistungserwartungen. Sie leben in Sicherheit, oft in kleinen Gruppen, und sind an die Anwesenheit des Menschen gewöhnt. An Tagen der offenen Tür können Sie mit Ihrer Kamera kommen und eine friedliche, einladende und inspirierende Umgebung erleben. Ein individueller Besuch lässt sich bestimmt auch problemlos arrangieren, wenn Sie gezieltere Fotos machen möchten.

Andere Möglichkeiten sind Lehrfarmen, Gemeinschaftsfarmen, Lamazentren oder Tierparks, die oft Streichelgehege oder Führungen anbieten. Wenn Sie tiefer in die Materie eindringen wollen als der Durchschnittsbesucher, versuchen Sie, direkt mit den Betreibern zu sprechen. Viele kleinere Bauernhöfe freuen sich über Ihr Interesse und gestatten Ihnen vielleicht einen Einblick in Bereiche, in denen normalerweise keine Besucher Zutritt haben – in die Ställe während der Fütterung, in den Auslauf während der Ruhezeiten oder auf die Weide, wo die Tiere den Tag in einem natürlichen Rhythmus verbringen.
Tiere mit Seele
Was gibt es abschließend zu sagen? Die stärkste Wirkung haben nicht die dramatischen Szenen, sondern die stillen Momente – die Blicke, die Berührungen, die Gefühle. Das Schwein, das sich neben Ihnen in den Schatten legt. Die Ziege, die Sie über die Schulter beobachtet. Eine Kuh, die ein Kalb zärtlich ableckt.

Solche Bilder erinnern daran, dass Tiere keine Gegenstände sind, sondern sensible und oft amüsante Geschöpfe. Beim Fotografieren geht es nicht nur darum, ein schönes Bild zu machen. Es geht um die Begegnung. Es geht um den Moment, in dem ein Tier Sie an sich heranlässt – und in Ihnen vielleicht mehr hinterlässt, als Sie erwartet haben.
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