Porträts richtig beleuchten II: Porträtfotografie bei natürlichem Licht
Bei natürlichem Licht Porträts zu machen, ist für viele Fotografen die einfachste und sicherste Variante. Sie müssen nämlich nicht viel Geld in die Ausrüstung stecken. Zu berücksichtigen sind jedoch die Eigenschaften des natürlichen Lichts. Hierbei muss man auch an die Positionierung der porträtierten Person sowie die Belichtungseinstellungen an der Kamera anpassen.
Bei Porträtaufnahmen mit natürlichem Licht reicht eigentlich eine Fotokamera aus. Diese Vorgehensweise schränkt Sie jedoch in der kreativen Gestaltung ein, weil das natürliche Licht Charaktereigenschaften besitzt, an die Sie sich anpassen müssen. Und ferner können sich die Lichtverhältnisse schnell wieder ändern.
Hartes Sonnenlicht während des Tages ist ein Problem
Im Laufe des Tages ändert sich die die Intensität des Lichts, dessen Farbe, die Lichtqualität sowie die Lichtrichtung. Und Sie haben nur wenig Möglichkeiten, diese Faktoren direkt zu beeinflussen.
Mit der Einstellung der Belichtungsparameter der Fotokamera (Blende, Verschlusszeit und ISO) decken Sie jedoch so gut wie alle Lichtsituationen ab. Eine individuelle Anpassung an die jeweiligen Lichtverhältnisse ist jedoch nötig. So können Sie an einem Sonnentag mit klarem Himmel keine niedrige Blende für Porträts verwenden, weil die Aufnahme sonst überbelichtet wäre.
Gemäß der Belichtungsgrundregel „Sunny 16“ gilt, dass am Mittag (hier scheint die Sonne am stärksten) bei einem klaren Himmel, einer ISO 100 sowie einer Verschlusszeit von 1/100 Sekunden, der richtige Blendenwert bei f/16 liegt.
Wenn Sie also diese Parameter in Ihrer Kamera einstellen, dann erhalten Sie ein richtig belichtetes Bild. Denken Sie aber auch daran, dass der Hintergrund hinter dem Hauptmotiv sehr scharf abgebildet wird, weil das Bild eine große Schärfentiefe hat.
Eine so niedrige Verschlusszeit wie auf der vorherigen Illustration ist nur bei hochwertigen Fotokameras möglich. Bei den standardmäßigen DSLRs liegen die annehmbaren Verschlusszeiten zwischen 1/2000 bis 1/4000 Sekunden.
Falls Ihre Fotokamera eine solch niedrige Verschlusszeit nicht unterstützt, dann kommt das erste Hilfsmittel zum Einsatz, mit dem Sie das natürliche Licht beeinflussen können – konkret seine Lichtintensität. Es handelt sich hierbei um den Neutraldichte (ND) Filter bzw. Graufilter.
Mit diesem Filtertyp reduzieren Sie die Lichtmenge, die auf den Sensor fällt. Hierdurch können Sie bei der gleichen Verschlusszeit eine niedrigere Blende einstellen. Bei dem genannten Beispiel könnten Sie nach der Verwendung des Filters mit einer Lichtkorrektur von 3 EV, mit einer Verschlusszeit von 1/800 s fotografieren, was praktisch jede Fotokamera schafft.
Einen ähnlichen Dienst leistet in gewisser Weise auch ein Polarisationsfilter, der gewöhnlich die einfallende Lichtmenge um ca. 1 bis 2 EV reduziert.
Zerstreuen Sie das Licht
Die Situation ändert sich dramatisch, sobald sich die Sonne hinter den Wolken versteckt. Die Lichtintensität reduziert sich um 2 bis 3 EV und die Lichtqualität wird besser – das Licht zerstreut sich und hört auf, unschöne Kontraste auf der porträtierten Person zu bilden.
Lediglich die Lichtfarbe wird negativ beeinflusst. Die Umgebung um das Hauptmotiv verliert nämlich ihre Sättigung und die Bilder wirken kälter.
Zum Glück können Sie diesen Effekt mit dem Weißabgleich in Ihrer Fotokamera etwas kompensieren. Wählen Sie hierzu beim Weißabgleich das Wolken-Icon (Bewölkt) aus.
Die oben gezeigten Illustrationen führen uns zu zwei wichtigen Hilfsmitteln, mit denen Sie die Lichtqualität beeinflussen. Das erste Hilfsmittel ist der Diffusor.
Sie können ihn im Handel in faltbarer Form und verschiedenen Größen erhalten. Als Diffusor geeignet ist auch Pauspapier.
Ein weiterer klassischer Gegenstand, der als Diffusor dienen kann, sind Gardinen und lichtdurchlässige Vorhänge. Sehr beliebt, nicht teuer und platzsparend ist ein 5 in 1 Faltreflektor-Set. In diesem Set enthalten ist ein Diffusor sowie vier Faltreflektoren inkl. dem schwarzen Faltreflektor.
Den Diffusor sollten Sie zwischen der Sonne und der porträtierten Person platzieren. Je näher der Diffusor beim Hauptmotiv ist, desto größer ist der Streulichteffekt.
Den schwarzen Faltreflektor platzieren Sie auf die Seite der porträtierten Person, die von der Sonne abgewendet ist. Hierdurch betonen Sie den schattenreichen Bereich des Porträts.
Die Verwendung dieser Hilfsmittel ist jedoch etwas anspruchsvoller – Sie benötigen in der Regel mindestens einen Assistenten. Sie können aber auch einen speziellen Halter für das Stativ kaufen, welches zum Halten von Faltreflektoren und Diffusoren dient.
Porträts im Freien? Morgens oder abends
Tagsüber zu fotografieren, ist ziemlich anspruchsvoll und die Ergebnisse sind nicht immer perfekt, weil die Sonne hoch im Himmel liegt und unpassende Charaktereigenschaften hat. Oftmals benötigt man auch viel Vorbereitung und Assistenten für die Streuung des Lichts.
Anders sieht die Situation am Morgen und am Abend aus, wo die Sonne niedrig über dem Horizont liegt. Die Erdatmosphäre, die eine große Menge an Wasserdunst enthält, fungiert wie ein perfekter Diffusor. Und ferner weist das Licht sehr schöne sowie warme Farben auf.
Wenn Sie etwas früher aufstehen, dann können Sie auch den Nebel früh am Morgen nutzen, der den Fotos eine wunderschöne Atmosphäre verleiht.
Aber im Sommer um 03:30 Uhr aufzustehen, um gegen 05:00 Uhr für Aufnahmen bereit zu sein, ist nicht jedermanns Sache. Nutzen Sie daher zumindest die goldene Stunde am Abend aus.
Suchen Sie nach einem offenen Schatten
Manchmal können Sie die Zeit jedoch nicht selbst bestimmen. Und Sie haben auch nicht die Möglichkeit Hilfsmittel oder Assistenten mitzunehmen. Dies gilt beispielsweise für Hochzeiten. In einem solchen Fall sollten Sie damit rechnen, dass Sie zum Fotografieren von Porträts nur eine begrenzte Zeit haben. Und dies auch noch zum Zeitpunkt, wo das Licht am schlechtesten ist.
Die beste Möglichkeit, um so eine Situation zu meistern ist, die porträtierte Person in einem sogenannten “offenen Schatten” zu positionieren. Offene Schatten werfen vertikale Konstruktionen, Gebäude und Gegenstände. Wenn Sie sich in solch einen Schatten stellen, dann stehen Sie im Schatten, aber über Ihrem Kopf liegt der freie Himmel.
Fotografieren Sie in eine geschlossenen Raum
Die besten Ergebnisse beim Fotografieren bei natürlichem Licht erhalten Sie in einem geschlossenen Raum.
Falls Sie das Hauptmotiv in einen relativ dunklen Raum mit großen Fenstern platzieren, wo das Licht durchdringt, dann übernehmen die Fenster die Funktion einer Softbox. Im idealen Fall sollte die Sonne nicht direkt auf die Fenster scheinen – daher befinden sich die Fenster bei den Ateliers auf der Nordseite.
Falls die Sonne direkt auf die Fenster scheint, dann können Sie eine diffuse Fläche verwenden. Das Licht können Sie dann so auf die Person richten, wie Sie es möchten. Der Unterschied liegt nur darin, dass Sie in diesem Fall die porträtierte Person bewegen und nicht die Lichtquelle.
Bei ungünstigen Lichtsituationen hilft künstliches Licht
Die Porträtfotografie bei natürlichem Licht ist anspruchsvoll, da Sie nur eingeschränkte Möglichkeiten haben, um das Licht anzupassen. Mit den richtigen Einstellungen schaffen Sie es aber.
Im nächsten Artikel erfahren Sie mehr über die Arbeit mit künstlichem (Dauerlicht und Blitzlicht) Licht. Die Investitionen in die Ausrüstung sind hierdurch zwar höher, aber dafür haben Sie das Licht vollständig unter Kontrolle.
Die größte kreative Freiheit bietet Ihnen jedoch die Kombination aus natürlichen und künstlichen Licht. Mehr hierzu erfahren Sie in der Serie zur Beleuchtung von Porträts.
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