Nachtfotografie im Freien: So fotografieren Sie Lichtspuren, Silhouetten und Lichtmalerei

Nachtfotografie eröffnet völlig neue Möglichkeiten – von Lichtspuren von Autos über Lichtmalerei bis hin zu dramatischen Silhouetten. In diesem Artikel finden Sie praktische Tipps, wie Sie Ihre Kamera einstellen, wann Sie losziehen sollten und welche Tricks Sie anwenden können, damit Ihre Nachtfotos auch ohne Stativ kreativ und scharf werden.

Was lernen Sie in diesem Artikel?

  • Wie man nachts mit langer Belichtungszeit fotografiert
  • Wie man die Lichtspuren von Autos und Straßenbahnen einfängt
  • Wie man mit Licht malt und originelle Effekte erzielt
  • Wie man Silhouetten und Film Noir fotografiert
  • Wie man gute Fotos ohne Stativ hinbekommt
  • Wo man interessante Orte für Nachtaufnahmen findet

Vergessen Sie hohe ISO-Werte und das Warten auf ein Wunder. Hier kommt die Langzeitbelichtung ins Spiel –⁠ und mit ihr eine ganz andere Art des Fotografierens.

Wenn Sie sich beim Umgang mit Blende, Verschlusszeit und ISO unsicher sind, lesen Sie unseren Artikel über das Belichtungsdreieck, in dem wir die Grundlagen erläutern.

Die Stadt bei Nacht und Lichtspuren

Die Stadt wirkt nach Einbruch der Dunkelheit wie ein lebender Organismus. Die Lichter von Autos, Straßenbahnen, Ampeln oder Werbetafeln bilden farbenfrohe Streifen, die tagsüber nicht zu sehen sind. Es reicht aus, eine längere Verschlusszeit einzustellen – beispielsweise 5 bis 20 Sekunden – und die Kamera auf ein Stativ zu schrauben. Statische Objekte (z. B. Brücken, Bänke, Häuser) bleiben scharf, während die sich bewegenden Lichter farbige Spuren hinterlassen.

Wie kommt es, dass sich die Lichter in Richtung des Fotografen bewegen? Dazu benötigen Sie ein Zoomobjektiv, fokussieren Sie und zoomen Sie beim Drücken des Auslösers auf sich zu oder von sich weg. Dieser Effekt wird als Zoom-Effekt bezeichnet und darüber haben wir auch einen separaten Artikel geschrieben.
Es reicht, die Zeit um eine Sekunde zu verlängern, und aus der vorbeifahrenden Straßenbahn wird nur noch ein verschwommener Streifen.

Tipps für gute Fotos:

  • Wann sollte man losziehen? In der blauen Stunde (ca. 30–60 Minuten nach Sonnenuntergang), wenn der Himmel noch nicht schwarz, sondern dunkelblau ist. 
  • Ohne Stativ oder feste Unterlage geht gar nichts. Wirklich.
  • Überprüfen Sie, wo sich an Ihrer Kamera der Selbstauslöser oder Fernauslöser befindet (damit Ihre Finger die Kamera nicht zum Zittern bringen!).
  • Suchen Sie nach Kontrasten – Warmes Licht von Lampen vs. kaltes Licht von Autos, rote und weiße Lichter in der Gegenrichtung.
  • Kombinieren Sie Bewegung und Ruhe – Je mehr Ebenen, desto interessanter das Ergebnis.
Beim Fotografieren von Statuen können Sie sich eine lange Belichtungszeit leisten, gerade so lange, dass der fallende Schnee verschwommen erscheint. f/2.2, 1/30 s, ISO 800, 50 mm

Fotografieren aus der Hand bei langer Belichtungszeit

Was, wenn Sie kein Stativ haben? Kein Problem. Auch ohne Stativ können Sie mit längeren Belichtungszeiten fotografieren, Sie müssen nur wissen, wie Sie Verwacklungen minimieren können. Die richtige Körper- und Kamerahaltung macht einen überraschend großen Unterschied.

Stützen Sie Ihre Ellbogen am Körper ab, die linke Hand stützt die Kamera von unten (als würde sie einen Teller halten), die rechte Hand bedient die Tasten. Stellen Sie Ihre Beine leicht auseinander und stützen Sie sich auf dem Boden ab, als würden Sie ohne festhalten mit der Straßenbahn fahren. Lehnen Sie sich ruhig an etwas an – eine Wand, eine Bank oder ein Geländer sind besser geeignet als eine wackelige Hand.

Das Feuer schafft eine gemütliche Atmosphäre, aber um es zu fotografieren, braucht man einen stabilen Stand oder ein Stativ. Beide Fotos habe ich aus der Hand aufgenommen. Teepee: f/3.2, 0,6 s, ISO 2500, 28 mm. Becher: f/2.8, 1/100 s, ISO 1250, 63 mm

Wohin zum Fotografieren?

Dunkelheit herrscht nicht nur nach Einbruch der Dunkelheit. Manchmal findet man sie auch mitten am Tag – beispielsweise in einer Höhle oder einem Tunnel. Orte, an denen das Licht von einer Seite einfällt, schaffen eine kontrastreiche Atmosphäre. Das eignet sich für Silhouetten, dramatische Porträts oder auch Stillleben.

Aufgrund ihrer geheimnisvollen Atmosphäre sind Höhlen zu meinem Lieblingsort für Tagesaufnahmen geworden. In einem Fall habe ich das Licht so vor meinem Model platziert, dass es seine Beine beleuchtete. (f/2.8 1/25 s, ISO 640, 35 mm). Im zweiten hatte er eine Stirnlampe auf dem Kopf (f/2.8, 1/3 s, ISO 3200, 35 mm).

Versuchen Sie nach Einbruch der Dunkelheit, verlassene Straßen mit Laternen oder beleuchtete Parks und Spielplätze zu erkunden. Ich empfehle Ihnen auch, reflektierende Elemente an Ihrem Rucksack oder Ihrer Kameratasche anzubringen, insbesondere wenn Sie in der Stadt fotografieren. Man weiß nie, wie sehr man sich in das Fotografieren vertieft, und da ist es besser, wenn Sie von den vorbeifahrenden Verkehrsteilnehmern wahrgenommen werden.

Film Noir und Silhouetten

Versuchen Sie, eine Atmosphäre wie in einem Schwarz-Weiß-Film zu schaffen. Die gesamte Szene kann auch nur aus Schatten, Konturen und einer dramatischen Geschichte bestehen. Über die Technik des Film Noir gibt es einen separaten Artikel.

f/2.8, 1/25 s, ISO 2500, 35 mm

Sie können auch Silhouettenfotografie ausprobieren. Fotografieren Sie gegen das Licht, spielen Sie mit Winkeln, Schattenwürfen, Reflexionen im Wasser oder auf nassem Pflaster.

Gegen den Sonnenuntergang lassen sich Silhouetten besonders gut fotografieren. Ich habe manuell auf das Licht des Himmels belichtet, aber auf die Figuren im Vordergrund fokussiert. f/2.8, 1/8000 s, ISO 500, 28 mm

Malen mit Licht

Wenn Dunkelheit und lange Belichtungszeiten zusammenkommen, entsteht Raum für reine fotografische Malerei. Dazu reichen Wunderkerzen, eine Stirnlampe oder einfach das Licht vom Handy. Stellen Sie die Kamera auf mehrere Sekunden ein, stellen Sie sie auf ein Stativ (oder etwas anderes Stabiles), lösen Sie den Selbstauslöser und malen Sie mit Licht in die Luft.

Ich fotografiere sehr gerne aus dem Auto. Da weiß ich nie, was für ein Bild dabei herauskommt. 

Sie können ein einfaches Wort oder eine Jahreszahl zu Neujahr schreiben. Versuchen Sie, um einen Freund oder einen Baum herum einen leuchtenden Umriss zu zeichnen, der wie eine Aura oder eine Silhouette aus einem Science-Fiction-Film aussieht. Sie können eine Spirale um einen Baum oder eine Bank zeichnen, indem Sie Ihre Hand auf und ab bewegen. Oder binden Sie ein Lämpchen an eine Schnur und drehen Sie es – Sie erhalten einen kreisförmigen Effekt wie bei einer optischen Täuschung.

f/2.8, 10 s, ISO 125, 9 mm

Wie ist dieses Foto entstanden? Ich habe die Kamera auf ein Stativ gestellt, den Selbstauslöser und eine Belichtungszeit von 6 Sekunden eingestellt und begonnen, meinen Freund mit einer Stirnlampe zu „umkreisen”. Er stand regungslos da, während ich mich schnell genug hinter ihm bewegte, damit die Kamera mich nicht einfing. f/2.8, 6 s, ISO 1000, 35 mm 

Je dunkler die Umgebung, desto klarer wird das Lichtmuster. Störende Straßenlaternen oder nahegelegene Häuser können es überlagern, daher ist es ideal, am Waldrand oder auf einer verlassenen Straße zu fotografieren. Und wenn es beim ersten Mal nicht klappt? Versuchen Sie es erneut. Jeder misslungene Versuch zeigt Ihnen, was Sie ändern müssen – Verschlusszeit, Bewegungsgeschwindigkeit oder Lichtintensität.

Wenn ich Kinder unter schlechten Lichtverhältnissen fotografiere, wie beispielsweise beim nächtlichen St.-Martins-Fest, versuche ich, unter den anderen diejenigen zu finden, die sich nicht zu sehr bewegen. Die vorbeilaufenden Kinder erzeugen dann dank der Bewegungsunschärfe sog. „Geister“. Trotzdem war die Zeit bei diesem Foto sehr kurz und es war auch Glückssache, die sitzenden Kinder statisch einzufangen. f/1.4, 1/8 s, ISO 2000, 35 mm

Fazit

Die Dunkelheit ist kein Hindernis, sondern eine Herausforderung. Und gleichzeitig ein Raum, in dem Sie als Fotograf verschwinden und nur das Licht und die Zeit sprechen lassen können. Sie lädt zum Experimentieren und Spielen ein. Setzen Sie also Ihre Stirnlampe auf, packen Sie Ihr Stativ ein und ziehen Sie los.

Oftmals sind die Lichtverhältnisse so schlecht, dass selbst Kompromisse bei der Belichtung kein scharfes Foto garantieren. Aber auch dann können Sie noch spielen und experimentieren, beispielsweise mit Abstraktion. f/10, 10 s, ISO 200, 50 mm

FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Thema Nachtfotografie

Wie fotografiert man nachts die Lichtspuren von Autos? Stellen Sie eine längere Verschlusszeit (5–20 Sekunden) ein, verwenden Sie ein Stativ und lassen Sie vorbeifahrende Autos farbenfrohe Lichtstreifen erzeugen.

Wie fotografiert man ohne Stativ bei langer Belichtungszeit? Wichtig ist die richtige Körperhaltung, die Ellbogen am Körper anzulegen, fest zu stehen und eine feste Unterlage (Wand, Bank, Geländer) zu nutzen.

Was ist Lichtmalerei? Eine Technik, bei der man eine Lichtquelle (Stirnlampe, Wunderkerze, Handy) vor einer Kamera mit langer Belichtungszeit bewegt. Das Ergebnis sind Lichtzeichnungen.

Wann ist die beste Zeit für Nachtaufnahmen? Ideal ist die sogenannte blaue Stunde – 30 bis 60 Minuten nach Sonnenuntergang, wenn der Himmel nicht schwarz, sondern dunkelblau ist.

Wie fotografiert man Silhouetten bei Nacht? Stellen Sie das Objekt vor eine Lichtquelle (z. B. die untergehende Sonne oder eine Lampe) und belichten Sie es gegen das Hintergrundlicht.