Manueller Modus: Warum ist es sinnvoll, die Kamera selbst einstellen zu können?

Vielleicht ist es Ihnen auch schon mal passiert: Sie möchten die magische Atmosphäre einer abends nur mit Kerzen beleuchteten Wohnung einfangen, doch die Automatik Ihrer Kamera hellt die Szene auf und zerstört die Stimmung. Oder Sie möchten spielende Kinder fotografieren, doch aufgrund der langen Verschlusszeit ist das Bild verwackelt. Genau in solchen Momenten ist der manuelle Modus Ihrer Kamera gefragt.

Der M-Modus mag wie eine Funktion für Fortgeschrittene wirken, aber gerade bei anspruchsvollen oder ungewöhnlichen Lichtverhältnissen bietet er Ihnen die größte Kontrolle über das Endergebnis. Das bedeutet nicht, dass Sie immer den manuellen Modus verwenden sollten. Wenn Sie aber wissen, wann und warum Sie ihn einsetzen müssen, können Sie Ihre Fotografie auf ein neues Niveau heben.

Sie müssen keine Angst vor Zahlen und Einstellungen haben. Den manuellen Modus kann man Schritt für Schritt erlernen. Sie müssen nur wissen, was Sie gerade steuern und wie die einzelnen Elemente zusammenwirken.

Die Kamera würde die Belichtung so einstellen, dass alle Teile des Bildes hell sind. Meine Absicht war es, das Licht einzufangen, deshalb habe ich die Belichtung manuell eingestellt. 1/80, f/1.8, ISO 200, 85 mm

Was bedeutet manueller Modus?

Durch Umschalten in den Modus M übernehmen Sie die vollständige Kontrolle über die Belichtung. So können Sie jeden Parameter entsprechend Ihren Vorstellungen und der tatsächlichen Situation anpassen –  und nicht dem, was die Automatik für richtig hält.

Der manuelle Modus basiert auf der Arbeit mit drei grundlegenden Elementen der Belichtung:

  • Blende
  • Verschlusszeit
  • und ISO-Empfindlichkeit

Jeder dieser Faktoren beeinflusst nicht nur, wie viel Licht in die Kamera gelangt, sondern auch, wie das Foto letztendlich wirkt.

Wozu dient eine Objektivblende?

Die Blende bestimmt, wie viel Licht durch die Öffnung im Objektiv auf den Sensor fällt. Eine kleinere Blendenzahl (z. B. f/1,8) bedeutet eine größere Öffnung, mehr Licht und gleichzeitig eine geringe Schärfentiefe – also einen schön unscharfen Hintergrund. Eine höhere Zahl (z. B. f/8) lässt weniger Licht durch, dafür ist das Bild über die gesamte Fläche schärfer.

Im Wald ist es in der Regel dunkel, sodass eine niedrige Blendenzahl erforderlich ist. Dank der manuellen Belichtungseinstellung liegt das Augenmerk nicht nur auf dem fokussierten Bereich, in diesem Fall dem Spinnennetz, sondern auch auf den beleuchteten Bereichen des Fotos. 1/160 s, f/2.8, ISO 640, 75 mm

Was ist die Belichtungszeit (Verschlusszeit)?

Die Verschlusszeit gibt an, wie lange Licht auf den Sensor fällt. Eine längere Zeit (z. B. 1/10 Sekunde) lässt mehr Licht einfallen, kann jedoch auch unerwünschte Bewegungen erfassen, wodurch das Foto unscharf wird. Eine kurze Zeit (z. B. 1/500 Sekunde) ermöglicht es, Bewegungen einzufrieren, jedoch fällt weniger Licht ein.

Beim Fotografieren folge ich gerne dem Licht und warte darauf, wer in mein Bild tritt. Ich stelle die Belichtung bewusst so ein, dass das Licht auf Kosten anderer Bildteile hervorgehoben wird. 1/6400, f/1.8, ISO 250, 85 mm

Wie ISO Ihnen helfen kann

Der dritte Parameter ist ISO, also die Empfindlichkeit des Sensors. Bei niedrigen ISO-Werten (100 oder 200) erhalten Sie ein klares Bild ohne Rauschen, benötigen jedoch mehr Licht. Wenn es dunkel ist und Sie den ISO-Wert auf 1600 oder mehr erhöhen, wird die Kamera empfindlicher, was jedoch zu Bildrauschen und Qualitätsverlusten führen kann.

Beim Fotografieren von Tieren komme ich oft in Ställe oder andere überdachte Bereiche. Da sich die Tiere bewegen, kann ich mir keine allzu lange Belichtungszeit leisten. Deshalb stelle ich die Blende so niedrig wie möglich ein und experimentiere, welche ISO-Einstellung hinsichtlich des Bildrauschens noch akzeptabel ist. Ich sehe, dass die Belichtungszeit ruhig länger hätte sein können. 1/8000, f/1.8, ISO 10000, 75 mm

Warum alle drei Parameter kombinieren?

Die einzelnen Werte müssen kombiniert werden. Wenn Sie beispielsweise bei Dunkelheit mit Kerzen fotografieren, können Sie eine Blende von f/1,8, eine Verschlusszeit von 1/100 Sekunde und ISO 640 einstellen. Die Blende ist weit genug geöffnet, damit möglichst viel Licht auf den Sensor fällt, und erzeugt gleichzeitig einen schön unscharfen Hintergrund. Eine längere Belichtungszeit fängt die Atmosphäre des Lichts ein, erfordert jedoch eine ruhige Aufnahme – idealerweise mit einem Stativ oder einer abgestützten Kamera. Ein höherer ISO-Wert hilft wiederum, die Szene aufzuhellen, auch wenn ein wenig Bildrauschen unvermeidbar ist.

Bei dieser Szene habe ich eine kürzere Belichtungszeit gewählt, damit die Bewegung nicht verschwommen ist. 1/100 s, f/1.8, ISO 640, 75 mm

Sobald Sie diese Zusammenhänge einmal erkannt haben und sie in der Praxis ausprobieren, werden Sie schnell verstehen, wie viel Freiheit Ihnen der manuelle Modus bietet. Und vor allem gewinnen Sie die Gewissheit, dass die Kamera genau das tut, was Sie wollen

Wann kommt das zum Einsatz? Praktische Beispiele

Lichtmangel und gezielte Beleuchtung

Sommerabende bringen ein magisches Licht mit sich – sanft, golden, verblassend. Aber gerade unter diesen Bedingungen kommt es häufig vor, dass die Kamera die Szene als zu dunkel einschätzt und versucht, sie automatisch aufzuhellen. Das Ergebnis ist ein flaches Bild, dem der Zauber fehlt.

Ein typisches Beispiel hierfür ist ein Abend am Lagerfeuer oder ein Laternenfest. Das Feuer beleuchtet die Gesichter wunderschön, im Hintergrund ist es dunkel und alles hat einen weichen, warmen Farbton. Die Automatik erkennt die Szene jedoch als unterbelichtet und fügt Licht hinzu, wodurch der Kontrast und die Atmosphäre ruiniert werden.

1/100 s, f/1.8, ISO 640, 75 mm

Veranstaltungen am frühen Abend

Aufführungen auf der Sommerbühne, Konzerte, Kinderfeste oder abendliche Sportturniere. Überall dort, wo Menschen sich bewegen und das Licht nicht ausreicht, stößt die Automatik an ihre Grenzen. Sie lässt nicht genug Licht durch – verkürzt die Belichtungszeit oder verringert den ISO-Wert – und das Ergebnis sind oft unscharfe oder zu dunkle Fotos.

Im manuellen Modus können Sie alles entsprechend der Situation ausbalancieren. Wenn Sie wissen, dass sich Personen bewegen, stellen Sie eine kürzere Verschlusszeit ein – beispielsweise 1/200 Sekunde – und passen Sie die Blende und ISO-Empfindlichkeit entsprechend an. Die Kamera versucht dann nicht, die richtigen Werte zu „berechnen“.

Beim Fotografieren von Abendveranstaltungen kann eine riskante Situation auftreten: Man muss sich zwischen Innen- und Außenbereichen bewegen, möglicherweise sogar zwischen mehreren Orten mit unterschiedlicher Lichtintensität und Beleuchtungsart. Das erfordert Schnelligkeit und die genaue Kenntnis darüber, unter welchem Finger sich die Tasten für Blende, Verschlusszeit und ISO befinden. Zeit zum Suchen im Menü oder auf dem Bildschirm bleibt keine. 1/60 s, f/2.8, ISO 800, 50 mm

Bewusste Beibehaltung der Belichtung

Manchmal haben Sie die Szene schon perfekt eingestellt – gedämpftes Licht, Atmosphäre, Stimmung – und bewegen sich nur leicht oder ändern den Winkel. Im Automatikmodus „berechnet“ die Kamera sofort die Einstellungen entsprechend der neuen Komposition neu und alles ist weg. Das Licht ist anders, die Silhouette verschwindet, die Belichtung verschiebt sich.

Im manuellen Modus bleibt alles genau so, wie Sie es eingestellt haben. Die Belichtung bleibt unverändert, bis Sie sie ändern. Sie können sich ganz auf die Komposition und den Ausdruck konzentrieren, anstatt mit der Technik zu kämpfen. Das wird sich beispielsweise beim Fotografieren von Silhouetten gegen den Sonnenuntergang oder bei Porträts im Gegenlicht bezahlt machen, wo die Kontrolle über Licht und Schatten entscheidend ist.

1/8000 s, f/2.8, ISO 100, 45 mm

Lichtmalerei und nächtliche Experimente

Und dann gibt es Situationen, in denen Sie bewusst mit einer langen Belichtungszeit fotografieren möchten – zum Beispiel, um mit Licht zu malen, die Lichtspur eines vorbeifahrenden Autos oder die Bewegung der Sterne festzuhalten. Der Automatikmodus würde in einem solchen Moment versuchen, die Belichtungszeit sofort zu verkürzen und die Dunkelheit „zu korrigieren”.

Für dieses Foto war ein Stativ erforderlich. Der Fokus liegt auf dem Boden der Höhle. Ich habe die Blende nicht wegen der Schärfe auf einen höheren Wert eingestellt, sondern um der Kamera noch mehr Licht zu entziehen. 1/30 s, f/10, ISO 100, 35 mm

Was, wenn das nicht reicht? Kreativer Umgang mit Einschränkungen

Auch wenn Sie schnell lernen, mit dem manuellen Modus zu arbeiten, wird es Momente geben, in denen Sie einfach nicht die „richtigen“ Einstellungen finden, die perfekt zur Situation passen. Es gibt zu wenig Licht, das Motiv bewegt sich, Sie brauchen mehr, als die Kamera leisten kann. Das ist jedoch kein Grund, aufzugeben – hier kommt Ihre Kreativität ins Spiel. Was wäre, wenn Sie diese Unschärfe künstlerisch nutzen würden? Was wäre, wenn Sie die Bewegung zu einem Teil der Atmosphäre machen würden?

Wenn beispielsweise ein Kind abends mit einem glühenden Stock am Lagerfeuer spielt, können Sie eine längere Belichtungszeit einstellen – beispielsweise 1/2 Sekunde – und so die gesamte Lichtspur in Bewegung festhalten. Bleibt der Hintergrund dabei statisch und scharf, entsteht ein effektvoller Kontrast zwischen Ruhe und Bewegung. Das Bild ist technisch nicht „perfekt“, aber es hat Kraft, Stimmung und erzählt eine Geschichte.

Zum Zeitpunkt der Aufnahme war es zwar weder dunkel noch waren die Lichtverhältnisse schlecht, ich wollte jedoch einen dynamischen Eindruck von der Arbeit der Freiwilligen auf dem Torfmoor vermitteln. Ich bat die Frau im gelben Mantel, der durch seine Farbe die Aufmerksamkeit auf sich zieht, während der Aufnahme stillzustehen, während die anderen um sie herum ihrer Arbeit nachgehen. 1/6 s, f/22, ISO 100, 32 mm

Manueller Fokus und Weißabgleich

Die manuelle Einstellung der Kamera betrifft nicht nur die Belichtung. Sie können noch viel mehr steuern – und das zahlt sich in vielen Situationen wirklich aus.

Manchmal möchten Sie einfach nicht, dass die Kamera entscheidet, wo sie fokussiert. Der Automatikmodus sieht nämlich nicht, was Sie hervorheben möchten, sondern sucht nur nach Kontrasten und fokussiert manchmal ganz woanders als gewünscht. Das gilt vor allem bei schlechten Lichtverhältnissen, bei Makroaufnahmen oder wenn Sie durch etwas hindurch fotografieren, das sich im Vordergrund befindet.

Mein Objektiv konnte nicht auf die Fläche zwischen den Maschen des Zauns fokussieren. Ich musste mit manuellem Fokussieren nachhelfen. Der Hintergrund ist trotz der hohen Blendenzahl unscharf, da er weit vom Zaun entfernt ist. 1/200 s, f/8, ISO 200, 85 mm

Die Automatik versucht oft, die Farbwiedergabe zu „verbessern“, verfälscht dabei aber die Szene. So kann beispielsweise ein mit warmen Glühlampen beleuchteter Innenraum automatisch in Blautöne abgekühlt werden. In der manuellen Weißabgleichseinstellung können Sie den Modus „Glühlampe“ oder „Schatten“ wählen oder die Temperatur manuell einstellen (z. B. 2800 K für warmes Kerzenlicht). So erhalten Sie entweder naturgetreuere Farben oder einen bewussten Farbeffekt, der der Stimmung der Szene entspricht.

Ich stelle den Weißabgleich fast immer auf „Bewölkt“. Dieser Modus verleiht den Aufnahmen angenehm warme Farben. 1/500 s, f/5.6, ISO 250, 85 mm

Was bringt Ihnen der manuelle Modus?

Auf den ersten Blick mag der manuelle Modus wie ein komplizierter zusätzlicher Schritt erscheinen. Tatsächlich ist er jedoch eine der schnellsten Methoden, um zu einem selbstbewussteren, unabhängigeren und kreativeren Fotografen zu werden. Im manuellen Modus lernen Sie, Licht, seine Stärke, Richtung und Farbe besser zu verstehen. Sie sind nicht mehr davon abhängig, wie die Technik die Szene „bewertet“, sondern entscheiden selbst, was hell und was dunkel sein soll und warum.

Wenn die Belichtung von der Kamera gesteuert werden würde, gäbe es keine dunklen Stellen auf dem Foto. Im manuellen Modus bestimme ich die Belichtung und die Atmosphäre selbst. 1/100 s, f/2.8, ISO 4000, 19 mm

Sie gewinnen auch an Schnelligkeit und Sicherheit. In schwierigen Situationen geraten Sie nicht in Panik, sondern greifen zu dem, was funktioniert. Sie können sich erklären, warum ein Foto zu dunkel, unscharf oder verrauscht ist – und beheben das Problem sofort.

Und zu guter Letzt kommt das Wichtigste – Selbstbewusstsein und Freiheit. Die Kamera ist nicht mehr das „Entscheidungsorgan“, sondern ein Werkzeug, das Ihnen gehorcht. Dank der manuellen Steuerung werden Sie zu einem Fotografen, der nicht nur festhält, sondern auch gestaltet.

Lernen Sie, Ihre Kamera im manuellen Modus einzustellen

Haben Sie sich entschieden, den manuellen Modus zu erlernen? Sehr gut! Sehen Sie sich auch unsere Anleitung für konkrete Situationen an, wo wir Ihnen zeigen, wie Sie die Kamera beispielsweise für Porträts, Landschaften oder Bewegungen einstellen können: Manueller Modus: Wie stellt man die Kamera für verschiedene Situationen ein?

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AutorEster Dobiášová

Ich bewundere (nicht nur) Dokumentarfotografen und versuche in meiner eigenen Arbeit Serien zu erstellen, die durch einen lesbaren Gedanken verbunden sind, aber Raum für eigene Fantasie und Geschichten lassen. Ich mache auch Reportage- und Reisefotografie und leite seit drei Jahren Fotokurse für Teenager. Meine Arbeit können Sie sich auf meiner Website ansehen.

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