Makrofotografie mit umgekehrtem Objektiv
Das technische Niveau der heutigen Fotokameras ermöglicht uns den Moment nicht nur mit maximaler Schärfe zu erfassen, sondern auch unsere Wahrnehmung zu erweitern. Wir zoomen bis auf mehrere hundert Meter, fotografieren wunderschöne Szenen des Himmels bei Nacht, aber auch atemberaubende Details aus nächster Nähe. Professionelle Makrofotografen kommen an einer teuren Ausrüstung nicht vorbei. Falls Sie jedoch erst mit der Makrofotografie beginnen, dann können Sie auch tolle Fotos ohne ein Makroobjektiv machen – Sie müssen nur das Objektiv umdrehen.
Würden Sie auch gerne Mücken, Käfer, Spinnen oder sonstige kleine Lebewesen fotografieren, haben jedoch nicht die richtige Ausrüstung hierfür? Kein Problem – Sie müssen nicht gleich das Sparschwein mit einem Hammer angreifen und ein Makroobjektiv im Wert von mehreren hundert Euro beschaffen. Manchmal reicht auch schon die Grundausrüstung aus.
Ausrüstung
Was benötigen Sie, um eine gute Makroaufnahme zu machen? Sie benötigen mindestens eine Kamera, bei der man die Objektive wechseln kann. Ich arbeite beispielsweise mit einer Nikon D5500 und einem Nikkor 35 mm f/1.8 Objektiv.
Ferner benötigen Sie neben viel Geduld, auch ein Set von Zwischenringen (Preis ca. 10 €) zur Abgrenzung der Entfernung zwischen dem Gehäuse der Fotokamera und dem Objektiv. Mithilfe der Zwischenringe sind Sie in der Lage, die Vergrößerung des Objektivs zu vervielfachen.
Ferner benötigen Sie auch einen Umkehrring (Preis ca. 9 €). Mit diesem Ring können Sie die Vorderseite des Objektivs zum Gehäuse umkehren, wodurch das erfasste Objekt vergrößert wird.
Ein wichtiger Helfer bei der Makrofotografie ist der Blitz – am besten mit weichem und zerstreutem Licht. Die einfachste Lösung dies zu erreichen, ist die Verwendung eines Systemblitzes auf der Fotokamera in Kombination mit einem Blitzdiffusor (Preis ca. 5 €). Es gibt natürlich noch weitere Möglichkeiten, aber der Zweckmäßigkeit halber handelt es sich hierbei um die ideale Variante.
Ausrüstung für Makroaufnahmen
- Fotokamera mit wechselbarem Objektiv
- Set von Zwischenringen
- Umkehrring
- Blitz mit Blitzdiffusor
Montage
Montieren Sie zunächst die Zwischenringe. Gewöhnlich setzen sie sich aus mehreren Teilen zusammen, dementsprechend können Sie das Größenverhältnis anpassen. Je mehr Zwischenringe Sie verwenden, desto größer wird logischerweise das Größenverhältnis. Sie müssen jedoch auch etwas an Bildqualität einbüßen. Sie müssen daher selbst entscheiden, wie viele Zwischenringe Sie am Ende nutzen werden. Anschließend montieren Sie den Umkehrring an das Bajonett an. Und jetzt müssen Sie nur noch Ihr Objektiv auf die Seite, die eigentlich für Filter gedacht ist, anschrauben – idealerweise ein 50 mm Objektiv oder ähnlich.
Kreativität lohnt sich
Da ich nicht im Besitz eines Objektivs mit einem Blendeneinstellring bin, musste ich mit einem Detail kämpfen, welches mir das Leben etwas erschwert hat – die Einstellung der Blende. Sie können nämlich bei einem umgekehrten Objektiv nicht die Blende mit Ihrer Kamera einstellen.
Natürlich können Sie sich auch einen Adapter beschaffen, der den Blendeneinstellring ersetzt, aber ich habe mich für eine günstigere Lösung entschieden. Mit etwas Papier oder einem Zahnstocher unterlegen Sie die Lamelle ein bisschen auf der Außenseite des Objektivs, damit sich die Blende wenigstens ein bisschen öffnet. Aber achten Sie darauf, dass das Hilfsmittel nicht ins Objektiv hineinfällt – das wäre ein großes Malheur.
Und zum Schluss stellen Sie die Fokussierung auf den am weitesten entfernten Punkt. Aber auch so wird es sich nur um wenige Zentimeter handeln.
Einstellung der Fotokamera
Jetzt bleibt nur noch die Einstellung der Fotokamera übrig.
Da das Objektiv umgekehrt montiert wurde, besteht keine andere Möglichkeit als im manuellen Modus zu fokussieren, weil Ihre Fotokamera denkt, dass das Objektiv fehlt.
Die Verschlusszeit sollte so lange wie möglich sein, um nicht die ISO erhöhen zu müssen, wodurch unnötigerweise das Bildrauschen erhöht werden würde. Ich nutze für gewöhnlich eine Verschlusszeit von 1/60 s. Die Blende klärt das Papierröllchen und daher müssen Sie an diese Einstellung nicht denken. Und jetzt bleibt noch die ISO übrig.
Da ich keinen externen Blitz besitze, musste ich den ISO-Wert auf ca. 800–1.600 (je nach Wetter) erhöhen und den integrierten Blitz verwenden. Die Verwendung eines Blitzdiffusors hat mir zudem dabei geholfen, dass das Licht nicht so hart ist.
Auf die Jagd gehen
Alles ist eingestellt und jetzt können Sie sich auf die Jagd nach Detailaufnahmen machen. Zunächst müssen Sie sich ein geeignetes Objekt aussuchen – z. B. eine Spinne, eine Fliege oder einen Grashüpfer.
Da es sich um eine große Vergrößerung handelt, müssen Sie damit rechnen, dass die Schärfentiefe wirklich sehr klein sein wird. Sie könnten mir jetzt widersprechen und mir sagen, dass man dies ohne das Papierröllchen problemlos erreichen würde. Sie haben recht, aber Sie würden nichts im Sucher erkenne, da die Blende in diesem Fall so gut wie völlig geschlossen wäre. Daher müssen Sie einen Kompromiss eingehen. In unserem Fall müssen wir das entsprechende Objekt gleich mehrmals fotografieren und das Objektiv schrittweise näher an den “Prädator” rücken.
Die Bezeichnung Prädator ist nicht ganz abwegig – wenn Sie sich nämlich auf die 3 Millimeter große Spinne mithilfe des Suchers oder Ihres Kameradisplays konzentrieren werden, welche die ganze Fläche ausfüllt, dann bekommen Sie Gänsehaut, wenn sich die Spinne in Ihre Richtung bewegt. Die Entfernung beträgt ca. 3–5 cm, daher müssen Sie darauf achten, damit Sie sie nicht verscheuchen.
Bewahren Sie Geduld und lassen Sie sich nicht davon abbringen, nur weil Ihre Objekte ständig in Bewegung sind. Sie werden nämlich kurz ruhig bleiben und schon wird Ihr Moment kommen, auf den Sie so lange gewartet haben.
Bei dieser Technik kann sich bei scharfem Sonnenlicht die chromatische Aberration sehr stark bemerkbar machen, was sich wiederum negativ in der Bildqualität ausdrückt. Achten Sie auch auf ungewolltes Licht. Wenn Sie den Live-View Modus auf dem LCD Display Ihrer Kamera verwenden, dann kann es bei Sonnenlicht passieren, dass das Sonnenlicht durch den Sucher in das Gehäuse Ihres Fotoapparates dringt und das Endergebnis der Aufnahme beeinflusst. In diesem Fall empfehle ich eine Sucherabdeckung oder ein schwarzes Klebeband, um den Sucher zu überkleben. Das Ergebnis wird hierdurch viel besser sein.
Falls Sie die Möglichkeit haben, dann sollten Sie Ihr Objektiv auf einem stabilen Gegenstand abstützen. Die Schärfe wird hierdurch deutlich erhöht.
Falls Sie einen externen Blitz besitzen, dann zögern Sie nicht, ihn zu verwenden. Sie erhöhen hierdurch Ihre Chance, tolle Aufnahmen zu machen.
Vorsicht vor Staub und Dreck. Das umgekehrte Objektiv ist ungeschützt und die sehr kurze Brennweite erhöht das Risiko von Objektivschmutz. Aber keine Angst, mit ein bisschen Vorsicht passiert nichts.
Aber nicht alle Fotos gelingen, i. d. R. sind bei 10 Aufnahmen nur etwa 1–2 Fotos gut. Das Fotografieren ist in gewisser Weise ein Abenteuer und wenn Sie Gefallen daran finden, dann werden Sie gerne immer wieder Aufnahmen von diesen kleinen Ungeheuern machen. Und falls Ihnen zu Beginn keine Aufnahmen gelingen, dann sollten Sie nicht gleich verzweifeln – morgen ist auch ein Tag. Sie können immer wieder aufs Neue auf die Jagd nach Makroaufnahmen gehen, bis Sie endlich zufrieden sind mit den Ergebnissen.
Nachbearbeitung in Zoner Photo Studio
Mit etwas Glück sind Ihnen 5–10 Aufnahmen gelungen. Jetzt wartet jedoch noch die nachträgliche Bildbearbeitung dieser Aufnahmen auf Sie. Die Bildbearbeitung hat jedoch einen Haken: von jeder Aufnahme müssen Sie jeweils den schärfsten Bildbereich auswählen und am Ende alle zu einem einzigen Bild zusammenfügen.
Gehen Sie folgendermaßen vor:
- Öffnen Sie das Bild mit dem schönsten Hintergrund im Modul Editor in Zoner Photo Studio X. Von den anderen Aufnahmen werden Sie nur den schärfsten Bildteil benötigen.
- Mithilfe der Schaltfläche +Ebene hinzufügen, fügen Sie die anderen Bilder hinzu. Jedes Bild wird als neue Ebene hinzugefügt. Somit ist die individuelle Bearbeitung des jeweiligen Bildes möglich.
- Positionieren Sie die einzelnen Bildteile so, damit Sie optimal aufeinanderfolgen. Reduzieren Sie daher die Deckkraft auf 50 %. Sie werden hierdurch sehen, wohin Sie das Bild jeweils verschieben müssen. Hierbei wird Ihnen das Tool Bewegen und Transformieren (V) helfen.
- Sobald Sie mit dem Ergebnis zufrieden sind, ändern Sie die Deckkraft wieder auf 100 %. Wichtig ist hierbei, dass Sie nur den scharfen Bereich ausgewählt haben. Bei der Auswahl helfen Ihnen die Auswahltools zur Verfügung.
- Sobald Sie den scharfen Bereich ausgewählt haben, fügen Sie eine Maske hinzu indem Sie auf das Icon Maske > Auswahl einblenden klicken.
- Wenn Sie bemerken, dass Sie noch einen Bereich hinzufügen oder entfernen müssen, dann klicken Sie auf das entstandene Masken-Icon direkt neben der Ebene. Wählen Sie dann den Pinsel (B) aus. Wenn Sie die schwarze Farbe verwenden, dann werden die sichtbaren Bereiche ausgeblendet. Mit der weißen Farbe werden die Bereiche angezeigt.
So kommen Sie schrittweise zu Ihrem gewünschten Ergebnis.
Eine etwas andere Sichtweise
Bereits kleine Kinder lernen, wie eine Spinne aussieht. Doch solange Sie dies nicht mit Ihren eigenen Augen (bzw. durch den Sucher der Kamera) gesehen haben, werden Sie nicht wertschätzen, was sich alles in Ihrer Umgebung ringsherum befindet. Die Natur besteht nicht aus Pixeln und jede Vergrößerung bringt neue Erkenntnisse. Ich wünsche Ihnen daher sehr viele sowie schöne Detailaufnahmen.