Licht und seine Richtung: Der Schlüssel zu Tiefe und Atmosphäre in Porträts

Jedes Foto steht und fällt mit dem Licht. Sie können ein perfektes Objektiv, einen perfekten Gesichtsausdruck und eine perfekte Pose haben, doch wenn das Licht nicht Ihrer Absicht entspricht, wird das Bild niemals Tiefe und Atmosphäre haben. In diesem Artikel geht es nicht um die Menge oder Qualität des Lichts, sondern um seine Richtung – also darum, woher es auf das Gesicht fällt.

Was erfahren Sie in diesem Artikel?

  • Welche Möglichkeiten es bei der Beleuchtung von Porträts gibt.
  • Wie die Lichtrichtung die Atmosphäre und die Wirkung eines Porträts beeinflusst.
  • Wann man das Frontlicht und wann besser das Seitenlicht verwenden sollte.
  • Wie man die Lichtrichtung auf einem fertigen Foto anhand des „Catchlights“ erkennt.
  • Wie man die ikonische Rembrandt-Beleuchtung erzielt.
  • Wann man Gegenlicht nutzen sollte.
  • Warum das Unterlicht unheimlich wirkt und wie man es richtig einsetzt.

Der Übersichtlichkeit halber haben wir die einzelnen Varianten mit weichem Licht aus einer großen Octabox fotografiert, damit Sie sich ganz auf die Wirkung konzentrieren können. Das Prinzip gilt aber auch für natürliches Licht – beispielsweise wenn Sie am Fenster oder draußen an einem sonnigen Tag fotografieren.

1. Frontallicht

Die einfachste und zugleich umstrittenste Art von Licht. Manche lieben es, andere würden es am liebsten verbieten. Frontallicht, also Licht von vorne, kommt direkt von der Kamera auf das Model zu. Sie haben es sicherlich schon beim Fotografieren mit Blitz erlebt – wenn der Blitz auf der Kamera angebracht ist, handelt es sich um direktes Frontallicht. Es wird auch von Dokumentarfotografen verwendet: Das gesamte Gesicht wird gleichmäßig ausgeleuchtet, nichts bleibt im Schatten verborgen.

Eine solche Beleuchtung unterdrückt die Hautstruktur, glättet sie und kaschiert Falten. Sie hat jedoch auch ihre Tücken – fettige Haut kann unangenehm glänzen und ein Gesicht ohne Schatten wirkt flach, was für fülligere Menschen mit rundem Gesicht nicht unbedingt vorteilhaft ist.

Das Ergebnis ist zart, die Haut glatt, Schatten verschwinden. Das Licht ist ideal für Kosmetikaufnahmen und schmeichelhafte Porträts, da es die Hautstruktur und Falten unterdrückt. Es kann jedoch flach wirken – die Tiefe und Form des Gesichts gehen verloren. Model: Sandra Laovská

2. Schleifenlicht (Loop Light)

Die Lichtquelle wird leicht zur Seite verschoben. Auf dem Gesicht erscheint ein kleiner Schatten in Form einer Schleife unter der Nase (daher der Name „Loop“). Diese Ausrichtung gehört zu den universellsten – sie bewahrt die Zartheit des Models, verleiht dem Gesicht jedoch Form und Plastizität. Sie eignet sich für die meisten Gesichtstypen und wird häufig in der Porträtfotografie eingesetzt.

Achten Sie auf den Schatten unter der Nase! Bei härterem Licht sollten Sie darauf achten, dass dessen Länge nicht über den Mund hinausgeht. Wenn Ihnen der Schatten zu lang erscheint, senken Sie einfach die Lichtquelle etwas ab oder bitten Sie das Model, das Kinn leicht anzuheben.

Die Lichtquelle steht etwas oberhalb des Models und befindet sich in einem Winkel von etwa 45° zum Gesicht. Unser Fotoshooting fand in einem hellen Studio statt, in dem sich das Licht schön reflektierte, sodass wir Details in den Schatten sehen können. Wenn Sie an einem Ort fotografieren, an dem keine natürlichen Reflexionen entstehen, empfehlen wir die Verwendung einer weißen Reflektorplatte – sie füllt die Schatten sanft aus und mildert die Übergänge.

Wissen Sie, wie Sie anhand eines Fotos erkennen können, welche Beleuchtung der Fotograf verwendet hat? Schauen Sie dem Model in die Augen, dort finden Sie wahrscheinlich ein Catchlight (Reflexion der Lichtquelle). Anhand dessen, wie hoch und wie weit es vom Rand entfernt ist, können Sie erkennen, wo sich die Hauptlichtquelle befand.

3. Seitenlicht (Split Light)

Das Licht fällt genau von der Seite ein und teilt das Gesicht in eine helle und eine dunkle Hälfte. Der Effekt ist dramatisch, kontrastreich und sehr ausdrucksstark. Seitliches Licht betont die Hautstruktur, was für Frauen nicht immer vorteilhaft ist, da Falten und kleine Makel stärker hervortreten. Das Porträt eines älteren Mannes hingegen kann durch dieses Licht charaktervoll und ausdrucksstark wirken.

Ein charakteristisches Merkmal des Seitenlichts ist die Hervorhebung der Struktur. Für die Haut mag dies nicht besonders schmeichelhaft sein, wenn Sie aber die Textur von Stoffen, Haaren oder Bärten zeigen möchten, ist dies die ideale Wahl.

4. Seitenlicht (Rembrandt-Licht)

Wenn man über die Richtung des Lichts spricht, vergisst man oft die Kopfposition des Models. Hier habe ich das Model gebeten, ihren Kopf ein wenig zur Lichtquelle zu drehen – und so entstand eine neue Art der Beleuchtung: das Rembrandt-Licht. Es handelt sich um ein konstantes Seitenlicht, das sich durch ein kleines Dreieck aus Licht auf dem dunklen Gesicht auszeichnet. Dieser Stil verleiht dem Porträt Tiefe und emotionale Spannung.

Die Lichtquelle steht seitlich neben dem Model, aber dank der leichten Drehung des Kopfes in Richtung Licht erscheint auf der dunklen Seite ein helles Dreieck unter dem Auge.

Den gleichen Rembrandt-Effekt erzielen Sie auch, indem Sie statt den Kopf zu drehen, das Licht um einige Grad nach vorne verschieben.

5. Kantenlicht (Rim Light)

Die Lichtquelle wird noch weiter nach hinten verschoben, sodass das Licht nur die Konturen des Kopfes und der Schultern umrandet. Ein dünner Lichtrand trennt das Model vom Hintergrund und schafft Räumlichkeit. Das Kantenlicht eignet sich hervorragend als Ergänzung zu einer anderen Lichtquelle und wirkt sehr effektvoll – es betont das Haar (oder beispielsweise den Schleier einer Braut) und verleiht dem Porträt einen geheimnisvollen Touch.

Rim Light wird häufig auch verwendet, um die Textur der Luft hervorzuheben – beispielsweise bei Aufnahmen mit Rauch, Nebel oder Regen. Mikroskopisch kleine Partikel in der Luft reflektieren das Licht und zeichnen es wunderschön nach.

Unser Model hat lockiges, voluminöses Haar, weshalb das Kantenlicht ideal ist, um es hervorzuheben. Dank zahlreicher Reflexionen (wir haben in einem hellen Studio fotografiert) fiel das Licht auch auf das Gesicht, was aber nicht unbedingt so sein muss, denn in diesem Fall geht es uns nur um die Lichtkontur im Haar. 

6. Gegenlicht

Wenn Sie das Licht direkt hinter dem Model platzieren, entsteht eine Silhouette. Eine große Octabox erzeugt einen strahlend weißen Hintergrund, während die Figur dunkel bleibt. Wenn Sie ein weiteres Licht von vorne hinzufügen, können Sie auch die Details des Gesichts herausarbeiten und erhalten ein klassisches Porträt vor einem rein weißen Hintergrund.

Wenn Sie keine so große Lichtquelle haben, verzweifeln Sie nicht – einen ähnlichen Effekt erzielen Sie auch, indem Sie die Scheinwerfer auf einen weißen Hintergrund richten und dessen Reflexion nutzen.

Hier haben wir das Gegenlicht genutzt, um die Silhouette hervorzuheben. Bei dieser Art der Beleuchtung kommt das Profil am besten zur Geltung, deshalb haben wir das Model seitlich zur Kamera fotografiert.

7. Unterlicht

Unterlicht kommt in der Natur nur selten vor. Im Gesicht sehen wir es beispielsweise bei Menschen, die am Feuer sitzen oder bei Kerzenlicht am Tisch arbeiten. Es kann einem Bild Dramatik verleihen, aber auch beunruhigend bis unheimlich wirken. Menschen fühlen sich in der Regel von dem, was sie nicht kennen, verunsichert, und Licht von unten ist definitiv nicht alltäglich.

Sie müssen es jedoch nicht als Hauptlichtquelle verwenden – oft reicht es aus, dem Model eine Reflektorplatte auf den Schoß zu legen. Dieses Licht ist nicht auffällig, hellt aber zu tiefe Schatten schön auf.

Licht von unten wirkt unnatürlich und dramatisch – es wird eher in Ausnahmefällen verwendet, wenn Sie einen ausdrucksstarken oder experimentellen Effekt erzielen möchten.

Und zum Schluss gibt es noch eine kleine Hausaufgabe. Wenn Sie das nächste Mal im Einkaufszentrum einkaufen gehen, achten Sie auf die Werbeplakate und versuchen Sie herauszufinden, wie viele Lichter der Fotograf verwendet hat und wo diese angebracht wurden.

FAQ – Häufig gestellte Fragen

Welche Lichtrichtung eignet sich am besten für Porträtaufnahmen? Am vielseitigsten ist das Loop-Licht (frontal-seitlich) – es verleiht dem Gesicht Kontur, bewahrt aber die Zartheit der Haut. Es eignet sich für fast jeden Gesichtstyp.

Warum wirkt das Gesicht manchmal flach und ohne Tiefe? Wahrscheinlich verwenden Sie eine Frontleuchte direkt von vorne. Probieren Sie einmal eine Leuchte aus einem leichten Winkel aus, die sanfte Schatten erzeugt und Konturen hervorhebt.

Wie erzeugt man eine Rembrandt-Beleuchtung? Platzieren Sie die Lichtquelle in einem Winkel von etwa 45° zum Model und drehen Sie sie leicht zum Licht hin. Auf den dunklen Bereichen des Gesichts erscheint ein charakteristisches Lichtdreieck.

Können diese Effekte auch mit Tageslicht erzielt werden? Ja, die gleichen Prinzipien gelten auch beim Fotografieren am Fenster oder im Freien. Die Richtung des Lichts bestimmen Sie anhand der Position der Sonne oder des Fensters im Verhältnis zum Gesicht des Models.

Wozu eignet sich das Kanten- oder Gegenlicht? Das Kantenlicht betont die Konturen und verleiht dem Porträt Tiefe. Gegenlicht erzeugt eine effektvolle Silhouette oder einen rein weißen Hintergrund, wenn Sie zusätzliches Licht von vorne hinzufügen.