Jahresfarben – ein Baum, neun Bilder
Alle Jahreszeiten haben einiges zu bieten! Versuchen Sie einmal im Laufe des Jahres zu fotografisch interessanten Orten mehrmals zurückzukehren. So erhalten Sie möglicherweise eine einzigartige Fotoserie, die zwar stets ein und dasselbe Motiv zeigt, in der aber dennoch alle Bilder unterschiedlich sind.
Ich habe im Wald eine persönliche Lieblingsstelle, zu der ich immer wieder zum Fotografieren zurückkomme, sei es, dass das Wetter ganz besonders ist oder ich einfach nur vorbei komme und die Kamera dabei habe.
Dort habe ich einen Standpunkt ausgewählt, von dem aus ich immer denselben Baum fotografiere. Ich gehe zwar nicht absolut regelmäßig dorthin, die erste Aufnahme habe ich dort allerdings schon im Herbst 2009 gemacht, es sind also mittlerweile einige interessante Bilder entstanden, die auf wunderbare Weise nicht nur das jeweilige Naturstadium festhalten.
Im folgenden Artikel werde ich Ihnen zeigen, was für eine Fotoserie in diesen Jahren entstehen kann:
Gelb und Orange – Herbst
Gerade im Herbst ist die Natur besonders ausdrucksstark. Zwischen die normalen, ruhigen Farben mischen sich gelb und orange.
Es bilden sich außerdem Nebel und je nachdem, wie viel Laub schon heruntergefallen ist, entstehen Bilder mit melancholischem Unterton, die fast schon ein wenig traurig wirken können.
Der Beginn des Laubfalls ist von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Folgendes Foto wurde in einem anderen Kalenderjahr, als das vorherige, aufgenommen, kalendermäßig sind die zwei Bilder aber nur zwei Tage von einander entfernt.
Wie Sie sicherlich bemerkt haben, gibt es nun wieder weniger Licht. Auf dem letzten Foto habe ich eine durchschnittliche Blende f/9 verwendet, wobei sich die Belichtungsdauer auf ganze 4 Sekunden verlängert hat. Dabei befindet sich die Szene nicht ganz im Wald, sondern am Rande einer Lichtung.
Wie verschiedenartig der Herbst sein kann, sehen Sie auf dem dritten Bild – es stammt wiederum aus einem anderen Jahr und wurde 14 Tage früher als die zwei vorigen Fotos aufgenommen. Hier sieht man noch das sommerliche Grün, das sich langsam mit den neu aufkommenden Farbtönen vermischt.
Scheuen Sie sich nicht, die Farben am Computer zu übertreiben und die Sättigung deutlich zu erhöhen (bzw. noch besser den Regler „Lebendigkeit“ zu benutzen). Solange es sich beim Bild um eine Landschaft ohne Personen handelt, werden die satteren Farben besser aussehen als jene, die die Kamera produziert.
Weiß und Blau – Winter
Obwohl der Winter mit seinen kurzen Tageszeiten oft depressiv sein kann, finden sich auch während dieser Jahreszeit optimistische Aufnahmen.
Im Winter dominiert der weiße Schnee mit leicht bläulichen Schatten. Zwar kann man die Farbtemperatur neutralisieren und den Schatten auf diese Weise die farbliche Tönung entziehen, allerdings wird ein graues Foto meinst nie so interessant wirken, wie das ursprünglich bläuliche.
Zusammen mit dem weißen Schnee taucht aber auch ein traditionelles fotografisches Problem auf – der Schnee reflektiert sehr viel Licht und bringt somit die Messsysteme der Kamera durcheinander. Diese produzieren in weiterer Folge dunkle Fotos. Deshalb muss man fast immer die sog. Belichtungskorrektur um ca. +1 EV manuell umstellen.
Auch während der Winterjahreszeit gibt es hin und wieder den von mir so geliebten Nebel, der zu richtig verträumten Bildern führen kann. Beim folgenden Beispiel war der Nebel so dicht, dass der 30 Meter entfernte Hintergrund kaum noch sichtbar ist.
Frisches Grün – Frühling
Das Frühlingserwachen ist immer sehr fröhlich und belebt zusammen mit den warmen Sonnenstrahlen die Fotos.
Für farbenfrohe Bilder sorgen in dieser Jahreszeit vor allem die blühenden Blumen. Um hier die Perspektive gleich zu behalten habe ich keine solche Aufnahme gemacht, man sieht am Boden allerdings die gelben Blüten. Das Foto würde auch sehr gut wirken, wenn man sich zu ihnen runter bücken und eine Nahaufnahme machen würde.
Auch jene Fotos, auf denen man nicht direkt das Sonnenlicht sehen kann, wirken äußerst optimistisch. Hier sieht man z.B. ein Bild, das man genauso gut als Sommerbild einstufen könnte:
Der Übergang von Winter zu Frühling gehört eher zu den nicht sehr fotogenen Zeiten. Während der Schnee schon vorüber ist, fehlt es noch am Grün und die Szene wirkt langweiliger.
Besser, man wartet noch ein paar Wochen und konzentriert sich auf das Fotografieren nach dieser Phase.
Abgehendes Grün – Sommer
Der Wechsel zwischen Frühling und Sommer ist praktisch nicht bemerkbar. Die Natur durchlebt ihre beste Phase und die Szenen sprießen nur so vor lauter Lebendigkeit.
Man könnte glauben, dass der Sommer die geeignetste Jahreszeit ist, um richtig „saftige“ und „gesund“ aussehende Bilder zu beschaffen, aber Vorsicht – in der Natur trocknet alles relativ schnell aus und falls es nicht regnet (was z.B. in Südmähren oft der Fall ist), kann das Gras vor allem auf den weitläufigen Flächen trocken und gelblich wirken.
Aber auch am trockenen Gras sieht man deutlich, dass der Kreislauf der Jahreszeiten einfach nicht aufzuhalten ist und dass man sich, anstatt zu jammern, wieder auf einen inspirationsreichen Herbst freuen kann.
Weitere Tipps
Wenn Sie so wie ich über eine Menge an Bildmaterial von einem bestimmten Ort verfügen, hindert Sie nichts daran, eine repräsentative Jahresübersicht zu erstellen oder die Fotos für einen eigenen, originellen Kalender zu verwenden.
Vergessen Sie auch nicht, dass es beim Fotografieren nicht nur auf die Jahreszeit, sondern auch auf das Wetter und die Tageszeit ankommt. Außerdem sind aufgrund des seitlichen Lichts Bilder nach Sonnenaufgang oder vor Sonnenuntergang ganz allgemein wirkungsvoller.
Kameraposition nicht unterschätzen
Ursprünglich habe ich mir überlegt, die Aufnahmen übereinander zu legen und dadurch ein komplexeres Bildgefüge zu erstellen. Ich musste allerdings feststellen, dass dabei die Kameraposition zentimetergenau eine Rolle spielt. Es reicht bei einem solchen Vorhaben ganz offensichtlich nicht aus sich zu überlegen „hier gehen ich in die Hocke und lehne mich am Baum an“. Idealerweise müssen Sie sich Ihre Position noch viel genauer merken. Sollten Sie also ein ähnliches Projekt ins Auge fassen, würde ich empfehlen, die Position, von der aus Sie fotografieren werden, genauestens festzulegen. Behelfen können Sie sich dabei etwa durch Anlehnen der Kamera an einer bestimmten Baumhöhe (etwa mithilfe eines Zweiges?), oder – in städtischeren Gebieten –indem Sie Laternenmasten, Geländer oder Mauern als Hilfsmittel heranziehen.
Überdies ist es einfacher, nicht übertriebene Nahaufnahmen zu verwenden, sondern sich eher auf Hügel, Berge oder andere umfangreichere Landschaftsblicke zu konzentrieren. Auf einen Zentimeter hin oder her kommt es dann nicht mehr an.
Auf jeden Fall müssen Sie aber die Ansicht zumindest ein bisschen vorplanen und hoffen, dass Sie die bestimmte Stelle in ein paar Monaten nicht schon wieder vergessen. Als Belohnung erwarten Sie absolut einzigartige Aufnahmen. Außerdem werden Sie lernen die Angst vor einem ungewissen Ergebnis zu überwinden – denn ein solches Langzeitprojekt bringt in das digitale Zeitalter die Unsicherheit zurück, wie wohl das Finalbild aussehen wird, das man erst nach langer Zeit zu sehen bekommt.