Fotografische Regeln: einhalten oder brechen?
Regeln sollten befolgt werden. Dies ist ein einfacher Ansatz, der für einige funktioniert und für andere nicht. Wir sind alle verschieden und machen Kunst, die sich nicht immer an die Regeln hält – und deshalb macht es keiner von uns falsch. Manchmal sollte man sich aber nicht an die Regeln halten. Eine individuelle Herangehensweise und Offenheit können Sie in Ihrer Arbeit weiterbringen.
Ich bestreite keineswegs, dass Regeln wichtig sind. Man muss sie unbedingt kennen und beherrschen, bevor man sie bricht. Es ist aber kein Fehler, wenn man sie ab und zu einfach ignoriert. Denn „richtig“ und „falsch“ bedeuten für jeden etwas anderes.
Wann und warum sollten Regeln gebrochen werden
Dieser Artikel soll keine Zusammenfassung dessen sein, was man machen darf und was nicht. Er sollte Ihren Geist öffnen und Raum zum Nachdenken schaffen. Wir alle machen viele Dinge falsch. Ich mache vieles falsch. Aber weil ich mir dessen bewusst bin, kann ich sie „absichtlich“ falsch machen. Wenn ich weiß, dass ich etwas falsch mache, bedeutet das, dass es in Ordnung ist.
Der allgemeine Gedanke ist also:
- Sie können die Regeln brechen, wenn Sie sie kennen. Sie können die Regeln nicht brechen, weil Sie sie nicht kennen. Dies wäre einfach ein Fehler.
- Die Regeln sind nicht unumstößlich. Ja, es gibt sie, aber oft werden sie unterschiedlich interpretiert. Es gibt nicht den einen großen Gott der Fotografie, der die Regeln festgelegt hat. Es liegt an uns, wie wir sie begreifen und wie sehr wir uns ihnen unterwerfen.
- Nichts ist falsch und nichts ist richtig. Sie können nach den Regeln fotografieren und diese immer hundertprozentig einhalten. Sie können die Regeln auch ignorieren. Oder irgendwas dazwischen. Sie können alles tun, denn jeder, der Ihnen sagt, dass etwas falsch ist, sagt Ihnen nur seine Meinung.
- Es ist aber sehr wichtig zu verstehen, warum es diese Regeln gibt und so viele wie möglich zu lernen, um dadurch abschätzen zu können, wann es angemessen ist, sie zu brechen. Es ist ein Unterschied, ob man nachlässig arbeitet oder ob man versteht, was man tut und wie es hilft, die künstlerische Absicht zu erfüllen.
Spezifische Regeln und wie man sie umgeht
Einer der größten Kämpfe, die ich um mich herum beobachte, ist: scharf oder unscharf? Nicht selten kommt es vor, dass man einen tollen Moment erwischt, die Kamera aber nicht richtig fokussiert. Ist es dann ein gutes Foto? Das liegt an Ihnen! Ja, ein unscharfes Foto kann Ihnen gefallen, es kann in Ihren Augen perfekt sein, auch wenn es technisch falsch ist.
Oft handelt es sich um Fotos von einzigartigen Momenten – von Veranstaltungen, Hochzeiten und ähnlichem. Belassen Sie es auf jeden Fall unscharf und versuchen Sie nicht, es in der Nachbearbeitung nachzuschärfen, da Sie es sonst höchstwahrscheinlich ruinieren würden.
Gestehen Sie sich ein, dass es unscharf ist, und seien Sie sich bewusst, dass weltbekannte Fotografen mehr als einmal ein großartiges, aber unscharfes Foto gemacht haben.
Gleiches gilt für abgetrennte Körperteile. Manchmal stehen wir mit einem zu langen Objektiv zu nah dran, jedoch sind manche Momente unwiederholbar. Das Model hat vielleicht gerade einen Ausdruck, den sie nicht wiedergeben kann. Ein Paar küsst sich so schön, dass sie es nicht mehr wiederholen können. Und wenn ein Stück von ihnen fehlt, kann man nichts machen, so ist es nun mal. Und wieder liegt es an Ihnen, in Ihrem Kopf zu entscheiden, ob es das wert ist oder ob Sie nicht darüber hinwegkommen. Sie werden mit den Maßstäben kämpfen, die Sie sich selbst gesetzt haben, je nachdem, wie sie Ihnen passen.
Die Komposition ist auch so ein Fall – müssen wir uns immer daran halten, oder lohnt es sich, es mal anders zu machen? Wenn Sie schon beim Fotoshooting das Gefühl haben, dass Ihnen etwas Ungewöhnliches mehr liegt, fotografieren Sie es so. Machen Sie dann eine kompositorisch korrekte Aufnahme, damit Sie die beiden Fotos zu Hause vergleichen und die bessere Variante wählen können.
Wie sieht es mit den Blicken aus? Eigentlich sollten sie in das Bild gerichtet sein, was aber manchmal nicht klappt. Und auch hier gilt: Das muss nicht falsch sein! Versuchen Sie manchmal, den Blick absichtlich woanders hinzulenken.
ISO und Körnung im Allgemeinen. Das Hinzufügen von künstlicher Körnung zu Fotos ist angesagt. Fotografen mögen es oft nicht, aber auch nicht die Kunden oder die fotografierten Personen. Jedoch kann es dem Foto manchmal das gewisse Etwas verleihen. Wir können in eine Situation geraten, in der es anders nicht möglich ist und die Lichtverhältnisse es uns nicht erlauben, den ISO-Wert zu senken.
Körnung ist zum Beispiel in der analogen Fotografie durchaus üblich. Sie gilt als sogenanntes „Vintage“-Element und muss gar nicht schlecht wirken. Wenn Sie jedoch keine körnigen Fotos mögen, dann stellen Sie den ISO-Wert nicht über 500 ein, reduzieren Sie das Rauschen in Zoner Photo Studio X und versuchen Sie nicht unnötig den Trends zu folgen. Gerade mit der heutigen modernen Ausstattung kann man Rauschen leicht vermeiden.
Ich selbst erinnere mich an eine Zeit, in der ich Körnung hasste. Ich hatte Angst, den ISO-Wert über 360 zu erhöhen, und habe die Fotos so geglättet, dass die Menschen wie Wachsfiguren aussahen. Bis heute sehe ich Fotos, die nicht für Rauschen geeignet sind, aber bei anderen Bildern habe ich keine Angst, den ISO-Wert sehr hoch einzustellen – und dann gefällt mir das.
Ein schönes Foto oder ein schönes Model?
Ja, das ist ein ewiges Problem. Was ist, wenn ich ein technisch schlechtes Foto habe, aber das Model wirklich gut aussieht? Und was, wenn ich ein technisch perfektes Foto habe, aber das Motiv sich selbst nicht gefällt? Bestimmen Sie, welche Art von Fotograf Sie sind.
Fotografieren Sie mit Ihrem Kopf? Interessieren Sie sich für die technische Ausführung, Komposition, Licht, Technik und einen perfekt ausgerichteten Horizont? Oder fotografieren Sie mit Ihrem Herzen? Hauptsache es ist schön und jeder gut auf den Fotos aussieht?
Das Fotografieren mit dem Herzen und das Fotografieren mit dem Kopf sind zwei unterschiedliche Ansätze, die sich oft treffen und vermischen. Aber im Grunde genommen sind wir alle das eine oder das andere. Und selbst wenn Sie (wie ich) mit dem Herzen fotografieren, respektieren Sie natürlich alle technischen Details und befolgen die Regeln. Wenn man mit dem Kopf fotografiert, kann man wiederum die Schönheit der Models wahrnehmen und auf die Psychologie beim Fotografieren achten. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, aber Sie sollten wissen, was bei Ihnen überwiegt.
„Herzmenschen“ haben kein Problem damit, die Regeln zu brechen, aber manchmal übertreiben sie es beinahe schon. Und diejenigen, die mit dem Kopf fotografieren, lassen das Model manchmal verlegen und unzufrieden zurück. Sie konzentrieren sich zu sehr auf das Foto und zu wenig auf die Person, die vor ihnen steht. Und so sind wir wieder dabei, dass nichts völlig richtig und nichts völlig falsch ist. Übertreiben Sie es nur nicht, sondern machen Sie sich bewusst, was Sie fotografieren wollen, wie Sie es fotografieren wollen und wie weit Sie bereit sind für künstlerische Zwecke zu gehen.
Versuchen Sie mal eine der Regeln zu brechen. Als Experiment. Nur um zu sehen, wie es ist. Und befreien Sie sich von potenziellen Meinungen anderer. Fotografieren Sie etwas nur für sich selbst, und wenn es Ihnen gefällt, freuen Sie sich darüber.
Fazit
Letztendlich geht es darum, keine Angst davor zu haben, Dinge auszuprobieren, die neu und anders sind. Haben Sie keine Angst, Regeln zu brechen, seien Sie nicht an sie gebunden. Aber lernen Sie sie auch richtig und respektieren Sie sie. Irgendwo in Ihrem Hinterkopf sollten Sie sie behalten. Sie sollten wissen, dass Sie sie brechen. Und lassen Sie sich nicht von Kritikern entmutigen. Es ist Ihre Arbeit, Ihre Freude. Und machen Sie Bilder, die Ihnen ein gutes Gefühl geben. Damit Sie Freude an den Bildern haben. Es ist eine Herausforderung, so zu fotografieren, damit das Ergebnis den Models und Ihnen gefällt. Und Sie werden diese Herausforderung bestimmt bewältigen.