Der Autofokus
Obwohl die Fokussysteme der heutigen Kameras schon sehr weit fortgeschritten sind, ist für deren richtige und effektive Verwendung ein gewisses Ausmaß an Übung und Kenntnis von großem Vorteil. Lesen Sie sich deshalb folgende Tipps durch, die Ihnen beim Fotografieren behilflich sein werden.
Bei Kompaktkameras, die mit Kantenkontrastmessung arbeiten, ist der Schärfungsvorgang relativ einfach. Mittels Fokussierungsrechteck wählen Sie das gewünschte Motiv und den Rest erledigt die Automatik. Soweit die Elektronik auf ein bestimmtes Objekt scharfstellen kann – und nicht etwa ausgerechnet eine weiße Wand – sollte der Prozess ohne weiteres nach kurzer Zeit abgeschlossen sein.
Einen viel breiteren Spielraum bieten jedoch komplexere Geräte wie Spiegelreflexkameras, spiegellose Systemkameras (fortgeschrittene Kameras mit austauschbaren Objektiven, aber ohne Spiegel) und generell Modelle, die mit Phasenvergleich arbeiten und somit eine genauere Abstandsmessung und schnelleres Scharfstellen ermöglichen.
Fokussierungspunkt
Auch wenn der Fokussierungspunkt im Sucher als kleines Quadrat aufscheint, handelt es sich in Wirklichkeit (wie im letzten Artikel beschrieben) um einen horizontalen oder vertikalen Streifen bzw. deren Zusammenlegung (Kreuzpunkt). Behalten Sie hinsichtlich der Fokussierungspunkte deshalb folgende Hinweise im Hinterkopf:
Größer als gedacht
Die Streifen sind meist breiter als das sichtbare Quadrat, weshalb es passieren kann, dass man auf ein Objekt scharf stellt, dass sich eigentlich neben dem ausgewählten Punkt befand. Man sollte deshalb solche Grenzsituationen vermeiden bzw. vor dem Abdrücken den Fokus nochmals kontrollieren (oder dann natürlich am aufgenommenen Foto).
Position nicht entsprechend
Aufgrund diverser Produktionstoleranzen ist es möglich, dass der Ermittlungsstreifen (Kreuz) nicht genau durch die Mitte des Quadrats verläuft. Das Quadrat gibt lediglich die Grenzen, zwischen denen sich der Streifen befindet, an und kann deshalb seitlich verschoben sein. Achten Sie darauf, um nicht auf Gegenstände scharfzustellen, die Ihnen weit genug entfernt vorgekommen sind.
Unterschiedliche Empfindlichkeit
Wie bereits früher erwähnt, beinhaltet eine Kamera üblicherweise Punkte mit verschiedenen Fokussierungsfähigkeiten. Am präzisesten sind die mittleren Punkte, meist Kreuz- oder Doppelkreuzpunkte. An den Rändern sind die Punkte dann grundsätzlich nur noch für die eine oder andere Richtung empfindlich.
Die Empfindlichkeit mancher Punkte kann überdies durch die Verwendung von Objektiven mit größerer bzw. kleinerer Lichtdurchlässigkeit (oder Telekonverter) erhöht bzw. verringert werden. Typische Kreuzpunkte können auf diese Weise ein zweites Kreuz erlangen und im Gegensatz dazu funktionieren bei schlechteren Objektiven die Randpunkte plötzlich gar nicht mehr.
Jeder Erkennungsstreifen kann auf Bildstrukturen (Kanten), die im rechten Winkel zu ihm stehen, scharf stellen. Einen gängigen Zaun sollte man deshalb beispielsweise nicht mittels Fokussierungspunkte scharf stellen, die einem vertikalen Streifen entsprechen, sondern einem horizontalen.
Ungenauigkeiten
Aufgrund der bereits erwähnten Unvollkommenheiten bei der Herstellung kann es auch passieren, dass die Kamera mit gewissen Objektiven ständig ein wenig zu nah oder zu weit schärft, obwohl sie annimmt, perfekt fokussiert zu haben. Kleinere Mängel kann man bei manchen Gehäusen anhand von Menüeinstellungen korrigieren (Autofocus microadjustment), größere Ungenauigkeiten können nur im Service repariert werden.
Fokussierungs-Taste
Standardmäßig werden durch den Auslöser zwei Funktionen bedient – der Fokus und der Verschluss. In vielerlei Situation ist es jedoch von Vorteil, diese Funktionen – so wie Profifotografen – auf zwei Tasten zu trennen. Meistens verwendet man zum Schärfen die bereitgestellte Taste AF-ON beim rechten Daumen. Das Schärfen mittels Auslöser wird dann mit entsprechender Menüeinstellung weggeschaltet.
Ich persönlich habe mich an die umgekehrte Vorgangsweise gewöhnt. Der Auslöser bedient zwar weiterhin den Fokus, mittels AF-ON Taste kann ich diese Funktion aber wegschalten. Da beide Systeme gleichwertig sind, liegt es ganz an Ihnen, welches Sie verwenden möchten.
Schärfungsregime
Es gibt drei grundlegende Schärfungsmodi, zwischen denen Sie wechseln können.
Einmal und fertig
Dieses Regime heißt bei Canon One Shot AF, bei Nikon AF-S und ist für statische Szenen gedacht. Der Vorgang dauert ein wenig länger um nochmals genau nachzuprüfen, ob das Scharfstellen so genau wie möglich ist. Danach leuchtet im Sucher entweder jener Fokussierungspunkt (oder mehrere) auf, der scharfgestellt hat oder es ertönt ein Piepton um das Ende des Fokussierungsprozesses zu signalisieren. Danach können Sie die Komposition verändern und den Auslöser durchdrücken.
Kontinuierlicher Prozess
Auch für dynamischere Situationen gibt es einen eigenen Modus, bei Canon AI Servo AF und bei Nikon AF-C genannt. Aktiviert man ihn, schärft er ununterbrochen und ist deshalb auch in der Lage, ein bewegliches Objekt zu verfolgen. Um ihn besser steuern zu können, empfehle ich die bereits oben erwähnte AF-ON Tastenfunktion einzustellen.
Dieses Regime bevorzugt Geschwindigkeit, weshalb es unter schlechteren Lichtbedingungen ein schnelles Scharfstellen nicht garantieren muss. Der Fokus wird aber nach und nach angepasst und auch wenn man die Kamera bewegt, kann das Regime relativ problemlos das fotografierte Objekt verfolgen. Das Hauptobjekt wird beim Durchqueren der Aufnahme von allen Punkten verfolgt, welche sich das Objekt untereinander „übergeben“.
Dieser Modus hat nur einen kleinen Haken – im Gegensatz zum zuvor beschriebenen Regime wird im Dunkeln die aufhellende Blitzdiode nicht zugeschaltet.
Kombination
Der dritte Modus (AI Focus AF bei Canon, AF-A bei Nikon) beginnt mit einem genauen Scharfstellen wie bei einer statischen Szene. Stellt er aber im Nachhinein eine Kamera- oder Objektbewegung fest, schaltet er automatisch in den Verfolgungsmodus um und arbeitet weiter kontinuierlich. Sofern Sie also nicht gerade eine schnelle Sportart fotografieren, stellt dieses Regime einen guten Kompromiss zwischen den beiden vorherigen Varianten dar.
Auswahl des Fokussierungspunktes
Normalerweise können Sie auf der Kamera einen gewünschten, konkreten Fokussierungspunkt auswählen bzw. auch alle (oder einige) Punkte aktivieren. Der Autofokus wählt dann jenen Punkt aus, der auf das nächste Objekt trifft.
Die zweite Option ist aber meist langsamer und es besteht die Gefahr, dass die Automatik ein ganz anderes als das vom Fotografen beabsichtigte Objekt auswählt. Um genauer arbeiten zu können, empfiehlt sich deshalb die Bestimmung eines konkreten Punkts.
Verzweifeln Sie nicht, wenn Ihre Kamera nur wenige Punkte hat – ich persönlich verwende beim Canon 5D Mark III, der 61 Punkte und sehr fortgeschrittene Fokusregime bietet, in den allermeisten Fällen ebenfalls nur den Mittelpunkt. Auch dann, wenn ich auf Hochzeiten oder anderen Veranstaltungen fotografiere. Es kommt darauf an, wie schnell die fotografierten Szenen sind.
Manueller Fokus
Vergessen Sie nicht, dass Sie händisch vom Autofokus auf den manuellen Fokus umschalten müssen, sofern Sie kein Full time manual Objektiv (meist teurere Objektive, siehe auch Artikel über Autofokusmotoren) besitzen. Dadurch wird der Motor abgetrennt und Sie können sicher manuell fokussieren. Ansonsten riskieren Sie entweder den Motor oder das Getriebe zu beschädigen.
Aber auch beim manuellen Modus kann Ihnen die Elektronik behilflich sein. In manchen Fällen leuchtet sie dann auf, wenn unter dem angegebenen Fokussierungspunkt scharfgestellt wurde. Bei elektronischen Sucher-Systemen können an den Stellen mit dem höchsten Kontrast Streifen angezeigt (zebra stripes) oder Bildausschnitte im Detail dargestellt werden.
Zahlreiche Einstellungen
Auch wenn Sie sicherlich überzeugt sind, dass Sie Ihre Kamera genauestens kennen, empfehle ich Ihnen das Menü Ihrer Kamera und auch die Bedienungsanleitung genau durchzugehen. Fast immer findet man dabei Kapitel oder Anmerkungen, die Ihnen gewisse Hintergrundprozesse zu verstehen helfen. Nur so erreichen Sie mit Ihrem System die besten Ergebnisse!