Autofokusmotoren und andere Objektivgeheimnisse

Wissen Sie eigentlich, welche Antriebe für den Objektivfokus verwendet werden? Womit Hersteller prahlen und was sie lieber verschweigen? Was man von den Motoren erwarten kann und wie man sie pflegen sollte? Alle Details finden Sie im folgenden Artikel.

Im letzten Artikel über Fokus haben wir uns den Vorgängen im Kameragehäuse gewidmet. Diesmal konzentrieren wir uns auf die mechanischen Hauptantriebe, die eine Linsenbewegung überhaupt erst ermöglichen.

Verkleinerter Motor

Die älteren Antriebversionen entsprechen praktisch einem kleinen Elektromotor, dessen Bewegung mittels kleiner Zahnräder weitergeleitet wird und dessen Konstruktion dem gewölbten Raum neben den Linsen angepasst ist, woher auch die Bezeichnung Arc Form Drive stammt. Sie werden jedoch wahrscheinlich öfter auf den sog, Micro motor stoßen, ein manchmal etwas anderer Motor als der AFD, aber mit einer ähnlichen Funktionsweise.

Micro motor des Canon EF 75-300 Objektivs. Oben befindet sich die Röhre mit Linse, die vom Motor bewegt wird. Der Mechanismus ist also in Bogenform um den Tubus herum aufgebaut. Foto electricstuff.co.uk
Micro motor des Canon EF 75-300 Objektivs. Oben befindet sich die Röhre mit Linse, die vom Motor bewegt wird. Der Mechanismus ist also in Bogenform um den Tubus herum aufgebaut. Foto electricstuff.co.uk

Da sowohl Herstellung und Einbau ziemlich einfach sind, ist dieser Antrieb relativ billig, aber leider auch langsam und laut. Deshalb geht seine Verwendung immer mehr zurück und beschränkt sich auch die billigsten Objektive.

Supersonic Motor

Da verschiedene Hersteller unterschiedliche Kennzeichnungen verwenden, finden Sie diesen Antriebstyp unter den Bezeichnungen Supersonic Motor (SSM), Ultrasonic Motor (USM), Silent Wave Motos (SWM), Hyper Sonic Motor (HSM) und weitere.

Dieser Mechanismus stellt im Vergleich zum einfachen Motor einen riesigen Fortschritt dar, da er schneller und gleichzeitig sehr leise ist. Er basiert auf der Verwendung von piezoelektrischen Materialien, die sich bei Zufuhr von elektrischem Strom ausdehnen. Auf den ersten Blick sieht der Motor sehr ungewöhnlich aus, da er im Wesentlichen nur aus zwei Ringen besteht, wie Sie auf dem Bild unten rechts sehen können:

Ein Supersonic Motor, der beispielsweise im Samsung NX 85/1.4 Objektiv verwendet wird. Foto Samsung
Ein Supersonic Motor, der beispielsweise im Samsung NX 85/1.4 Objektiv verwendet wird. Foto Samsung

Die Bestandteile dieses Motors sind relativ groß und winden sich entlang der ganzen Röhre. Am wichtigsten ist dabei das Zahnrad, das sich unter Stromeinfluss krümmt und vibriert, wodurch eine Art Welle zum zweiten, sich drehenden Rad und somit auch zum Schärfungsmechanismus ausgesendet wird. Eine solche Bewegung beträgt einige Mikrometer (Tausendstel Millimeter), es kommt aber pro Sekunde zu mehreren Tausend Vibrationen, weshalb die Bewegung schnell und zugleich genau kontrollierbar ist. Von der hohen Vibrationsfrequenz wird auch der Name der Supersonic Technologie abgeleitet.

Eine aussagekräftige Animation des Supersonic Motors habe ich leider nicht gefunden, aber damit Sie sich den Mechanismus besser vorstellen können, hier zwei Links zu zwei Abbildungen auf denen dargestellt wird, zu was piezoelektrische Materialen imstande sind: ein Link stammt von Wikipedia und betrifft einen allgemein einfachen Motor, der zweite kommt von Tamron und umschreibt eine ein wenig andere Objektivbewegung.

Die sich vergrößernden und schrumpfenden Teile „leiten das Material schrittweise weiter“ und bringen es dadurch in Bewegung.
Die sich vergrößernden und schrumpfenden Teile „leiten das Material schrittweise weiter“ und bringen es dadurch in Bewegung.

Das genau entworfene piezoelektrische Teilchen krümmt sich und kurbelt somit die weiteren Elemente an.

Abgesehen davon, dass dieser Antrieb so schnell und leise ist, kann man außerdem jederzeit anhand des Schärfungsrades auch zum manuellen Fokus greifen (das sog. Full time manual, FTM), ohne davor vom Auto- auf Manualfokus umschalten zu müssen. Da sich die Ringe nicht bewegen, solange der Autofokus nicht im Gange ist, kann man durch die manuelle Bewegung keinen Schaden anrichten. Anders bei Mikromotoren – dort würde man durch manuelles Schärfen ohne davor umzuschalten möglicherweise den Motor oder die Getrieberäder beschädigen, was zur Reparatur des gesamten Objektivs führen könnte.

Tückische Kürzel

Aufgrund der vielen Vorteile, die Supersonic Motoren bieten, werden sie von ihren Herstellern gerne hochgepriesen und ihre Kürzel in die Objektivbezeichnungen eingebaut. Doch nicht alle Motoren gehören zu den echten, oben beschriebenen Ring-Supersonic Motoren.

Canon etwa nennt seinen besten Motor USM (Ultrasonic motor) und das oben beschriebene Modell heißt Ring-type USM (Ring-USM). Canon baut jedoch in manche seiner Objektive auch eine vereinfachte Version, den sog. Micro USM ein, bei dem die Ringe viel kleiner sind und am Objektivrand platziert werden. Sie erzeugen einen eigenen, winzig kleinen Motor, dessen Bewegung mittels Zahnräder auf die Hauptbestandteile übertragen wird. Diese Variante ist langsamer und verliert in manchen Fällen die Fähigkeit des Full time manual (etwa beim Canon EF 70-300mm f/4-5.6 IS USM). In der Bezeichnung findet man aber trotzdem die sehr irreführende Abkürzung USM.

Schrittmotor

Obwohl es den sog. Stepper Motor (STM) schon lange gibt, hat sich seine Verwendung erst zusammen mit den neuen Technologien durchgesetzt. Zurzeit wird er beispielsweise von Canon in einigen neuen Objektiven der Mittelklasse eingesetzt. Technische Details sind zwar nicht bekannt, der Motor ist im Vergleich zum Supersonic Motor aber ein wenig langsamer, jedoch zugleich noch leiser und seine Bewegung fließender. Diese Eigenschaften sind überdies ideal für Videoaufnahmen. Supersonic Motoren eignen sich besser für blitzschnelles Schärfen beim Fotografieren, für Videos ist ihr Gang aber nicht ideal. Im folgenden Video sind man sehr gut den Vergleich beider Antriebe:

USM Motoren sind für Videos ungeeignet und ihre Bewegung ist viel stockender, als bei den Stepper Motoren.

Motorlose Objektive

Auch wenn sie heutzutage schon eher eine Seltenheit darstellen, tauchen immer wieder neue Objektive auf, die lediglich auf manuellen Fokus vertrauen.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Firma Samyang. Sie stellt qualitativ sehr passable Objektive zu einem sehr geringen Preis her, der durch das Fehlen der Schärfungsmechanismen begründet ist. Gedacht sind diese Objektive für erfahrene Benutzer, für die der manuelle Fokus kein Problem darstellt.

Ein Gegenteil dazu stellt Zeiss dar, dessen Otus-Objektive extrem teuer sind, die aber nur in ihrer Ausführung für Sony und Fuji Fokusantriebe beinhalten. Die Varianten für Nikon und Canon wurden durch internationale Lizenzen begrenzt, weshalb sich deren Benutzer mit manuellem Fokus zufrieden geben müssen.

Der manuelle Fokus wird oft bei Videoaufnahmen oder Makrofotografie verwendet. Deshalb ist in diesen Fällen das Fehlen von automatischen Antrieben kein Problem. Auch bei modernen Tilt-Shift Objektiven findet man lediglich manuelle Schärfungsmodi, da dort aufgrund der sich drehbaren Schärfungsebene ein Autofokus nicht richtig funktionieren könnte.

Grenzbereich

Aufpassen sollten vor allem Nikon-Benutzer. Sie könnten auf ältere Objektivtypen stoßen, bei denen der Fokusmotor im Kameragehäuse platziert ist und mithilfe einer Achse seine Bewegung auf das Objektiv überträgt, welches keinen eigenständigen Antrieb besitzt. Problematisch ist, dass manche billigere Gehäuse auch keine Motoren und Achsen mehr beinhalten, weshalb es passieren könnte, dass ein neu gekauftes Gehäuse und Objektiv nicht zusammen passen und fokussieren.

Ein Nikon D7000 mit blau gekennzeichneter Achse zur Bezeichnung eines älteren Fokussierungstyps. Quelle Wikipedia.
Ein Nikon D7000 mit blau gekennzeichneter Achse zur Bezeichnung eines älteren Fokussierungstyps. Quelle Wikipedia.

Es muss nicht immer das Beste sein

Sie haben in diesem Artikel gelernt, welche verschiedenen Antriebe in Objektiven normalerweise verwendet werden. Aber trotz dessen, dass es zwischen ihnen einige Unterschiede gibt, müssen Sie eine Kamera nicht sofort wegen ihres Motortyps ablehnen. Der Artikel soll Ihnen viel eher einen gewissen Überblick über die verschiedenen Modelle geben, damit Sie mehrere Objektive vergleichen können und nicht auf irreführende Bezeichnungen der Hersteller hereinfallen.

Außerdem sind schnelle Motoren nicht jedermanns Sache. Für Sport- (oder Kinder-) Fotografen werden sie sicherlich nützlicher sein, als für Landschaftsfotografen, die oft mit Stativ fotografieren und denen somit manuelle Objektive ausreichen.

Noch wichtiger als Kameratechnologien ist jedoch die Fähigkeit, diese richtig einsetzen zu können. Und deshalb gibt es für Sie das nächste Mal viele praktische Tipps, insbesondere zum Thema Fokus.