6 Dinge, mit denen die Fotografien und das Leben von Sebastiao Salgado Sie in Erstaunen versetzen
Vom Linksaktivist zum Meister der humanistischen Fotografie. Die Arbeit von Sebastiao Salgado (* 1944) ist im Bezug auf Anzahl der Bild, Stempel im Reisepass und abgelaufene Schuhe faszinierend. Er zeigt uns das Leiden und die Schönheit der Welt, manchmal Hand in Hand. Mit seinen Bildern weckt er den Wunsch, die Welt zu verstehen und zu schützen oder zumindest über ihren Untergang zu diskutieren. Darüber hinaus erinnert es uns daran, welch bezauberndes Medium die Schwarzweißfotografie ist.
Was Sebastião Salgado Ihnen niemals sagen würde
Salgado würde Ihnen niemals Ratschläge geben, wie „du brauchst eine bessere Linse“ oder „ausschlaggebend ist eine ausgewogene Komposition und die Arbeit mit Licht, sonst bringst du es nicht weit“ oder „du musst die Maus liegen lassen, rausgehen und fotografieren “. Obwohl seine Fotografien technisch perfekt sind, basiert seiner Meinung nach die Grundlage der Arbeit eines sozial orientierten Fotografen auf seinem Verständnis der Gesellschaft und dem Thema seiner Wahl, nicht auf der korrekten Drehung des Polarisationsfilters. Der Fotograf sollte sich nicht nur für die Fotografie selbst interessieren, sondern auch für Geschichte, Anthropologie, Soziologie, Ökonomie und Geopolitik.
Zeit spielt auch eine entscheidende Rolle. Je mehr Zeit Sie für die Serie einplanen, desto besser werden Sie diejenigen verstehen, die Sie fotografieren, sagt Salgado. Die Umgebung, in der sie leben, die Situationen, die ihr Leben prägen. „Es kommt der Moment, in der nicht Sie die Bilder machen. Zwischen dem Fotografen und den Menschen, die er fotografiert, passiert etwas Besonderes. Er merkt, dass sie ihm die Bilder geben“, beschreibt der Fotograf.
„Photography is not objective. It is deeply subjective – my photography is consistent ideologically and ethically with the person I am.” – Sebastião Salgado
In die Minen zu den Goldgräbern bis ans Ende der Kräfte
Sechs Jahre und 26 Länder. Die “Workers”-Reihe dokumentiert hart arbeitende Bewohner der ärmsten Ecken der Welt. Fischer, Weber, Kakao-, Tabak- und Teepflücker, Schweißer, Bergleute, Bauarbeiter, Goldgräber. Mit einem starken Sinn für soziale Gerechtigkeit versuchte der linksorientierte Salgado, die verschwindende Welt der manuellen Arbeit und damit das Ende der industriellen Revolution einzufangen, ohne die Arbeiter ihrer Würde zu entledigen.
Wenn Ihnen der Weg durch die sechsundzwanzig Länder lang vorkommt, hat Salgado in seinem nächsten Projekt „Migrations“ das Wirkungsgebiet auf dreiundvierzig Länder auf allen sechs Kontinenten ausgedehnt. Dieses Mal richteten sich sein Blickwinkel und sein Einfühlungsvermögen auf das Schicksal der Menschen, die in Slums am Rande von Großstädten leben.
Und da er nicht kleckert, dauerte sein nächstes langfristiges Projekt wieder sechs Jahre und fand in Afrika statt. An der Seite der Ärzte ohne Grenzen dokumentierte er das Hungern und Sterben der Menschen durch Dürre. Man kann sich nur schwer vorstellen, wie sich die Situation auf den empathischen Fotografen ausgewirkt hat. Erst durch den Völkermord in Ruanda hat er ein Trauma und den Vertrauensverlust in die Menschheit davongetragen. Er wurde krank und hörte auf zu fotografieren.
Der Mann, der Bäume pflanzte
Sie sind bestimmt gespannt, wie es mit dem brasilianischen Fotografen weiterging. Keine Sorge, es folgt noch eine der erstaunlichsten Serien der Welt. Aber eins nach dem anderen: Sebastião Salgado kehrte 1994 auf die Familienfarm im Rio Doce-Tal in der Nähe von Aimores zurück. Die einst bewaldeten Hügel voller Leben, die er seit seiner Kindheit kannte, waren, nachdem die Landschaft jahrelang gerodet und verwüstet wurde, kahl und still. Ein weiterer Schicksalschlag. „Die Erde war so krank wie ich – alles wurde zerstört“, sagte Salgado.
Zu seinem Glück hat er gut geheiratet. Lélia Deluiz Wanick unterstützt ihn nicht nur bei seinen langen Reisen um die Welt, obwohl sie zwei Söhne haben. Es war immer sie, die Ausstellungen und Veranstaltungen plante und eine unabhängige Organisation gründete, um die Arbeit ihres Mannes zu verbreiten. Zusätzlich hatte sie auch eine brillante Idee, wie sie die umliegende Landschaft und ihren Mann retten kann. Sie schlug vor, dass sie den Wald mit eigenen kräften revitalisieren könnten. Offensichtlich liegt der Ehrgeiz in der Familie.
Im Laufe der Jahre gelang es Freiwilligen, zwei Millionen Bäume von mehr als dreihundert verschiedenen Arten zu pflanzen. Salgado war von Leben umgeben und sah Bäume wachsen. Vögel, Insekten, Säugetiere und andere Tiere kehrten mit ihnen zurück. Es war an der Zeit, den Weg zur Fotografie zurückzufinden.
Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies
Salgado suchte nach einem Weg die Welt zu akzeptieren und auf sie zu reagieren und fand eine Lösung: zum Anfang zurückzukehren, den Menschen ein fast verlorenes Paradies zu zeigen. Er verstand, dass die Umwelt des Planeten wahrscheinlich das dringendste und universellste Problem unserer Zeit ist. Er war 59 Jahre alt, als er sich auf eine achtjährige Reise an Orte machte, die noch von der Zivilisationen unberührt waren. Quer durch den Amazonas, Alaska, Indonesien, Kongo, von Madagaskar nach Colorado, von Sibirien über Chile nach Neuguinea. Natürlich war das nicht kostenlos. Das Projekt kostete 1,5 Millionen US-Dollar im Jahr und umfasste unzählige Magazine, Stiftungen und Organisationen.
Das Ergebnis ist die Serie „Genesis“ mit atemberaubenden Bildern. Fotografien von ursprünglichen Stämmen mit uralter Lebensweise sind mit detaillierten Tieraufnahmen sowie ausgedehnten Deltas von Flüssen und Gebirgskämmen aus der Luft durchsetzt. Salgado zeigt die Schönheit der Natur und die natürliche Lebensweise, um die Menschen zu inspirieren, sie zu schützen. Die Fotografie manifestiert sich in seinen Händen als eine Sprache ohne Grenzen, als Kommunikationsmittel zwischen Nationen.
Wir lernen vom Meister
Welchem Zweck auch immer die Fotografien von Salgado dienen sollen, er ist ein wahrer Meister der Schwarzweißfotografie. Es unterstützt die inhaltliche Seite mit präziser visueller Verarbeitung. In den folgenden Bildern zeigen wir, wie uns seine Arbeit aus fotografischer Sicht in Bezug auf Belichtung und Komposition inspirieren kann.
Die Bilder aus der Genesis-Serie fangen nicht nur das seit jahrhunderten bestehende Nomadenleben weit im Norden ein, sondern ist auch ein großartiges Beispiel für Minimalismus in der Fotografie. Wir werden kein einziges Element finden, das vom Hauptmotiv ablenkt. So gelingt es Salgado, den Raum der unendlichen Leere und Stille einzufangen. Einfachheit ist der Schlüssel zum Erfolg vieler seiner Aufnahmen, obwohl in der Art und Weise, wie er mit der Komposition eines Bildes mit einer Fülle von Motiven fertig wird, liegt auch ein Stück seiner Kunst. Gleichzeitig spielt das Licht auch eine große Rolle.
Die Reflexion auf dem Fluss, der sich durch die Landschaft schlängelt, führt uns diagonal durch das Bild. Salgados Fotografien zeichnen sich durch eine reiche Farbtonpalette aus. Er verwendet die für die Landschaftsfotografie typische Fünftelregel und überlässt ein Fünftel des Bildes dem Himmel.
Die diagonal geführte Komposition, bestehend aus einer Reihe von schwarz-weißen Pinguinen auf hellem Schneehintergrund, führt uns unverkennbar zum Hauptmotiv des Bildes – einem springenden Pinguin. Die ganze Szene ist von Meer und Felsen eingerahmt, die dem Bild an Dramatik verleihen. Wer die Doku Planet Earth gesehen hat, weiß, dass das Leben der Pinguine keine Idylle ist.
Beachten Sie wie Salgado den Himmel betont. Fast auf jedem Bild stehen die Wolken auch dank der Schwarz-Weiß-Umwandlung in dramatischem Kontrast. Trotzdem ziehen sie die Aufmerksamkeit nicht auf sich, sondern führen unseren Blick zum Geschehen auf der Erde und hindern ihn daran, dass er über den oberen Teil des Fotos „entweicht“. Bei Vogelperspektive geben Sie den Bildern außerdem den Maßstab.
Liebe auf den ersten Blick
Lassen Sie mich mit einer persönlichen Bemerkung abschließen. Mein erstes Treffen mit Sebastião Salgado fand in Berlin an einem massiven Eichentisch eines namenlosen Buchladens statt. Darauf lag das großformatige Genesis-Buch. „Och, schon wieder ein paar Landschaften und Tiere“, dachte ich, als ich anfing, das Buch durchzublättern. Zwei Stunden später war ich nicht nur in Salgados Arbeit verliebt, sondern wurde auch sehr misstrauisch von den Verkäuferinnen beobachtet, ob ich das 522-Seiten-Werk nicht unter meinen Mantel schieben und damit abhauen wollte. Die Druckqualität von Salgados Fotografien ist faszinierend, entweder in Buchform oder am besten auf einer Ausstellung. Und die Persönlichkeit des Autors erst recht.
Jürgen
Sehr schöner Bericht. Macht mir wieder Lust auf Landschaftsfotografie. Danke
Ester Dobiasova
Danke 🙂 Ich bin gern, dass es Ihr gefällt 🙂